NRW-Wahlkämpfer antworten Umweltverbänden – Ambitionierter Klimaschutz im Land auf der Kippe

Gemeinsame Pressemitteilung

Spitzenkandidaten der großen Parteien für die NRW-Landtagswahl
enttäuschen mit ausweichenden oder widersprüchlichen Aussagen zu
einem Landesklimaschutzgesetz und zur Zukunft des gerichtlich
gestoppten E.ON-Steinkohlekraftwerks Datteln IV – Norbert Röttgen
(CDU) gleichzeitig für Klimaschutzgesetz, Datteln IV und weitere
fossile Kraftwerke – Hannelore Kraft (SPD) meidet Bekenntnis zum
NRW-Klimaschutzgesetz – Sylvia Löhrmann (Bündnis90/Grüne):
Klimaschutzgesetz noch in diesem Jahr erneut einbringen – FDP gegen
„Verabsolutierung des Klimaschutzes“, für Datteln IV und für weiteren
Zubau von Kohlekraftwerken – Piratenpartei: gegen Datteln IV und
große Kohlekraftwerke – Linke „rechtswidriges Klimakiller-Kraftwerk“
Datteln IV stoppen

Nordrhein-Westfalen, das Bundesland mit den weitaus höchsten
CO2-Emissionen, könnte nach der Landtagswahl am 13. Mai einen
kräftigen Schwenk hin zu „Klimaschutz light“ erleben. Das lässt sich
aus den Antwortschreiben der Spitzenkandidatinnen und
Spitzenkandidaten aller Parteien mit Chancen auf (Wieder-)Einzug in
den Düsseldorfer Landtag schließen, die diese jetzt an die Deutsche
Umwelthilfe e. V. (DUH), die Landesverbände von BUND und NABU,
Germanwatch und das Kampagnen-Netzwerk Campact schickten. Die
Nichtregierungsorganisationen (NRO) hatten die Wahlkämpfer vor zwei
Wochen (s. Pressemitteilung vom 13. April) insbesondere nach der
Zukunft des von der bisherigen rot-grünen Minderheitsregierung
eingebrachten „Klimaschutzgesetz NRW“ und nach dem gerichtlich
gestoppten E.ON-Kohlekraftwerk Datteln IV gefragt. Bereits im
Landtagswahlkampf 2010 hatten dieselben NRO erstmals Eckpunkte für
den Klimaschutz in NRW vorgestellt und die Parteien aufgefordert ein
entsprechendes Landesgesetz zu verabschieden.

Kopfschütteln erzeugte bei den Umweltschützern insbesondere die
Antwort des CDU-Spitzenkandidaten und Bundesumweltministers Norbert
Röttgen, der für NRW einerseits ein Klimaschutzgesetz fordert, „das
diesen Namen verdient und auch konkrete Maßnahmen enthält, um die
erneuerbaren Energien zu fördern“ – und andererseits vehement für
weitere fossile Kraftwerke, inklusive Datteln IV, eintritt. Als
Ministerpräsident werde er sich für das Steinkohleprojekt einsetzen
und die Entscheidung nicht wie Rot-Grün den Gerichten überlassen.

Als beunruhigend beurteilen die Fragesteller aber auch die Antwort
der amtierenden Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), deren
Landesgeschäftsführer Bernd Neuendorf sich in der in ihrem Namen
verfassten Antwort zwar allgemein zu einem „Fortschrittsmotor
Klimaschutz“ bekennt, aber ein erneutes Bekenntnis zu dem von der
aktuellen Landesregierung vorbereiteten Landesklimaschutzgesetz
akribisch meidet. Das Vorhaben findet auch im SPD-Wahlprogramm keine
Erwähnung mehr. Als verstörend empfinden die Umweltschützer zudem den
Versuch der SPD, den Kohleblock Datteln IV in ihrer Antwort sauberer
zu rechnen, als er selbst von E.ON im immissionsrechtlichen
Genehmigungsantrag eingestuft worden war. E.ON beantragte seinerzeit
8 Millionen Jahrestonnen CO2, die SPD drückt diese Zahl auf 5,1 Mio.
Tonnen, erkennbar in der Absicht so gegenüber den Emissionen von in
Zukunft abzuschaltenden alten Kohleblöcken einen positiven Effekt zu
errechnen. Zu Datteln, so Neuendorf, gebe es wegen des laufenden
Verfahrens im Regionalverband Ruhr (RVR) von der SPD „keine Aussage“.

Die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen und bisherige
Bildungsministerin Sylvia Löhrmann verweist in ihrer Antwort
ebenfalls auf das laufende Verfahren im RVR (dem auch die Grünen
zugestimmt hatten). Allerdings habe das OVG Münster in seinem Urteil
„der Fertigstellung von Datteln IV hohe Hürden auferlegt.“ Löhrmann
bekennt sich klar zu dem von der rot-grünen Regierung
vorangetriebenen Klimaschutzgesetz NRW. Dieses solle „noch in diesem
Jahr erneut in den Landtag“ eingebracht werden.

Namens seines Spitzenkandidaten Christian Lindner spricht sich der
Hauptgeschäftsführer der NRW-FDP, Ralph Sterck, einerseits für die
langfristigen Klimaschutzziele der Bundesregierung aus (mindestens
-80 Prozent bis 2050 gegenüber 1990) und warnt andererseits vor der
„Verabsolutierung des Klimaschutzes“. Die FDP will einen umfassenden
Klimaschutzplan, allerdings ohne die dort aufgenommenen „Maßnahmen
bereits verbindlich vorzuschreiben“. Die Fertigstellung von Datteln
IV dürfe nicht blockiert werden. Außerdem plant die FDP offenbar die
gegenwärtige Generation von Kohlekraftwerken umfassend durch eine
neue zu ersetzen.

Die Piratenpartei bekennt sich entschieden zum Erlass eines
Landesklimaschutzgesetzes und lehnt das Kraftwerksprojekt Datteln IV
ab: „Große Kohlekraftwerke laufen den Zielen der Energiewende
zuwider.“ Auch die Linke lehnt das „rechtswidrige Kohlekraftwerk
Datteln“ klar ab. Rot-Grün werfen die Linken vor, in NRW beim
Klimaschutz weit hinter den Notwendigkeiten hinterherzuhinken. Das
Ziel der bisherigen Landesregierung, die CO2-Emissionen bis 2020 um
25 Prozent (gegenüber 1990) zu reduzieren, sei viel zu wenig
ehrgeizig, angesichts des nationalen Zielwert von minus 40 Prozent
bis zu diesem Zeitpunkt.

„Wir sind erfreut, dass alle Parteien mehr oder weniger zügig auf
unsere Fragen geantwortet haben“, erklärte der Leiter Politik und
Presse der DUH, Gerd Rosenkranz, zu den Ergebnissen der Umfrage.
Bezüglich der Parteien, die die größten Chancen haben, das Land in
den nächsten fünf Jahren zu führen, sei das allerdings schon fast das
einzig Erfreuliche an den Reaktionen. „Ansonsten gibt es viel
Klimaschutz im Weichspülgang“. CDU und SPD wollten sich erkennbar
alle Optionen offenhalten. Den Wählerinnen und Wählern rät
Rosenkranz, „bei den Bekenntnissen der Politiker zum Klimaschutz bis
zum Wahltag sehr genau hinzuhören, wenn es konkret wird.“

„Datteln IV ist der Glaubwürdigkeitstest für eine konsequente
Neuausrichtung der NRW-Energiepolitik“, sagte Dirk Jansen, der
Geschäftsleiter des BUND in NRW. „Wer wie Norbert Röttgen oder
Christian Lindner das gerichtlich gescheiterte Klimakiller-Kraftwerk
doch noch durchboxen will, leistet den klimaschutzpolitischen
Offenbarungseid. Das Kraftwerk ist ebenso überflüssig wie schädlich
für Mensch und Umwelt.“

Ein bisschen weniger allgemeine Bekenntnisse, dafür mehr konkrete
Aussagen, was nach dem 13. Mai geschehen soll, hätte sich Josef
Tumbrinck, der NABU-Landesvorsitzende, gewünscht. Tumbrinck:
„Klimaschutzgesetz und Klimaschutzplan waren bis zur
Neuwahlentscheidung auf einem guten Weg. Daran kann und muss die neue
Landesregierung nahtlos anknüpfen.“ Ansonsten würde die Politik im
Übrigen dem Bewusstsein großer Teile der Gesellschaft hinterher
hinken.

Das von den Verbänden im Wahlkampf 2010 vorgeschlagene
Klimaschutzgesetz NRW hat zum Ziel, die Treibhausgasemissionen in NRW
bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Um dies zu
erreichen, soll das Energiesystem effizienter gestaltet und binnen
vier Jahrzehnten praktisch vollständig auf erneuerbare Energien
umgestellt werden.

Unter dem Link:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2839
finden Sie die vollständige Dokumentation des Briefwechsels mit den
SpitzenkandidatInnen der Parteien zur NRW-Wahl am 13. Mai 2012 sowie
eine Zusammenfassung der jeweiligen Kernaussagen.

Pressekontakt:
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V. Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030
2400867-0, Fax: 030 2400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de

Dirk Jansen, Geschäftsleiter BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen
e.V.Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf, Mobil: 0172 2929733, Tel.:
0211 302005-22, Fax: 0211 302005-26, E-Mail: dirk.jansen@bund.net

Josef Tumbrinck, Landesvorsitzender NABU Landesverband
Nordrhein-Westfalen e.V. Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf, Mobil:
0171 3867379, E-Mail: j.tumbrinck@nabu-nrw.de

Christoph Bautz, Geschäftsführer Campact e.V.
Artilleriestraße 6, 27283 Verden, Mobil: 0163 5957593, Tel.: 04231
957445, Fax: 04231 957499, E-Mail: bautz@campact.de

Christoph Bals, Geschäftsführer Germanwatch e.V.
Kaiserstr. 201, 53113 Bonn, Tel.: 0228 60492-17, Fax: 0228 60492-19,
E-Mail: bals@germanwatch.org