NRZ: Grass hat sich verrannt – Kommentar von Christian Peters

Nein, natürlich ist der Literaturnobelpreisträger
kein plumper Antisemit. Wer Günter Grass diese menschenverachtende
Geisteshaltung unterstellt, greift zu kurz. Sein sogenanntes Gedicht
über die Bedrohung des Weltfriedens durch Israel hat es verdient,
gelesen zu werden – weil man erst dann erkennt, dass der
84-Jährige, wie so oft verquast und eitel, sich in der Sache verrannt
hat. Natürlich dürfen Deutsche, Literaten und Journalisten vorneweg,
die Politik Israels kritisieren. Wie auch in dieser Zeitung schon
geschehen – ohne, dass die NRZ als judenfeindliches Medium
angefeindet worden wäre. Gerade ein Freund, und der ist das
demokratische Nachkriegsdeutschland nach dem Schrecken der Nazis für
Israel längst geworden, darf den Spiegel vorhalten. Doch Grass – und
hier beginnt der Vorwurf der Einseitigkeit – tut mehr: Er negiert die
widerwärtige antisemitische Politik der Mullahs und nennt ihren
Präsidenten lediglich einen Maulhelden. Jenen Ahmadinedschad, der
nicht müde wird, den Holocaust zu leugnen, und der Jerusalem beinahe
täglich mit der Vernichtung droht. Grass verdreht die Lage, indem er
den Israelis vorwirft, die Auslöschung des gesamten iranischen Volkes
zu planen. Allein schon der Begriff Erstschlag suggeriert nur eines:
da der Aggressor (Israel), hier die Opfer (der Iran). Jeder, der sich
mit großer Sorge über die gefährliche Lage im Nahen Osten
informiert, weiß: Diese Meinung ist beinahe schon naiv und
erschreckend unpolitisch. Fakt ist: Die Welt will verhindern, dass
der Iran die Bombe bauen kann. Will Teheran dies gar nicht, sollte es
das seinen Kritikern beweisen. Und damit etwaigen israelischen
Angriffsüberlegungen den Wind aus den Segeln nehmen. Übrigens, Herr
Grass: im Deutschland des Jahres 2012 gibt es keine Gleichschaltung
der öffentlichen Meinung. Das ist Nazi-Terminologie. Unwürdig für
einen Mann ihres Ranges.

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