NRZ: Gut für Merkel, ungewiss für die SPD – von MANFRED LACHNIET

Abstimmung gut, alles gut? Mit 66 Prozent Zustimmung
durch die SPD-Mitglieder hätte man noch vor wenigen Tagen nicht
rechnen können. Ganz offensichtlich hat es sich ausgezahlt, dass
Nahles, Groschek und Co. in den letzten Tagen unermüdlich diskutiert
und argumentiert haben. Reden hilft. Die GroKo-Befürworter haben ihre
Partei überzeugt; man könnte auch sagen: gedreht. Ihr Hauptargument
lautete: Wir haben in den Verhandlungen mit der CDU sehr sehr viel
erreicht. Mehr als man von einer angeschlagenen Truppe erwarten
durfte. Und dann noch das Argument von der staatspolitischen
Verantwortung: Die SPD darf sich jetzt nicht verweigern. Sie darf
nicht zulassen, dass die ganz Rechten höhnen, dass die traditionellen
Parteien keine Regierung hinbekommen. All diesen Sätzen hatten die
Jusos um Kevin Kühnert nichts entgegenzusetzen. Ihnen ging es
vielmehr um das Gefühl des Unbehagens. Und so werden wir gut fünf
Monate nach der Wahl bald endlich eine Bundesregierung haben. Mit
Merkel an der Spitze; Olaf Scholz wohl als Vizekanzler. Also alles
gut? Nein, denn in der SPD hadern nun die anderen 34 Prozent. Sie
waren mit großem Elan in die NoGroKo-Offensive gegangen, sie träumten
von linker Erneuerung in der Opposition und hatten schon die
Minderheitsregierung vor Augen. Vorbei. Es wird für Nahles und
Groschek nicht leicht, nun einerseits Realo-Regierungspolitik zu
betreiben und andererseits die Aufbegehrenden in der Partei zu
befriedigen. Zugleich ist längst offensichtlich, dass sich Union und
SPD in den letzten Wochen wieder stärker auf ihre Ursprünge und
Markenkerne besinnen. Diese Entwicklungen sind sicher gut, wenn die
Bürger erkennen sollen, wofür eine Partei steht. Für eine Koalition,
die auf Kompromisse angelegt ist, sind diese Profilierungen aber eher
belastend. Damit steht die neue GroKo enorm unter Druck: Sie muss
erfolgreiche Politik machen, aber gleichzeitig zwei politischen
Lagern gerecht werden. Wir werden erleben, wie lange das gut geht.

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