Sas muss ein interessanter Abend gewesen sein,
vorgestern im Kanzleramt. Als Angela Merkel feststellte, dass sie
nicht ihren Willen bekam, stattdessen Joachim Gauck akzeptieren
sollte, da war sie erst fassungslos und dann außer sich. Schreierei
mit Philipp Rösler. Androhung des Koalitionsbruchs.
Dass sie den nicht riskiert hat, das ist staatstragend. Denn es
hätte weitreichende Auswirkungen gehabt, da diese Bundesregierung der
Fels in der europäischen Euro-Brandung ist. Also gut so. Es waren
denn ja auch eher persönliche und kaum nachvollziehbare Vorbehalte
der Pastorentochter gegen den Pastoren, die sonst den Ausschlag
gegeben hätten.
Ein bisschen muss sich die Kanzlerin auch an die eigene Nase
fassen, denn gerade sie hat Personalentscheidungen immer auch
taktisch und strategisch behandelt. Ob die Person, die dann am Ende
in ihr Konzept passte, auch das Amt potentiell gut ausfüllte – das
war mindestens zweitrangig. Das hat sich beim höchsten Amt, das es in
Deutschland zu vergeben gibt, gerächt. Und nun hatte jemand anders
eine andere Strategie – und Erfolg damit. Der Sonntag war kein guter
Tag im Selbstverständnis der Angela Merkel.
Sei–s, wie es sei. Joachim Gauck ist eine gute Wahl. Das werden
noch alle Parteichefs merken – denn er wird keinem nach dem Mund
reden. Und reden kann er wie kaum ein zweiter. Er ist ein begnadeter
Rhetor. Gauck wird einen Bürgerpräsidenten geben, der mit unbequemen
Ansichten den gesellschaftlichen Diskurs befördert.
Im übrigen haben wir, 22 Jahre nach der Wiedervereinigung,
demnächst eine Kanzlerin, geboren in Hamburg und aufgewachsen in
Brandenburg, und einen Bundespräsidenten, geboren und aufgewachsen in
Mecklenburg. Das deutsch-deutsche Projekt macht Fortschritte. Lieb
Vaterland, magst ruhig sein. Und der Rhein fließt gemütlich an Bonn
vorbei.
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Oldenburgische Volkszeitung
Andreas Kathe
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