„Report Mainz“: Neuer Abgasskandal? Warumältere Benziner Dreckschleudern sind

Ältere Benzinfahrzeuge tragen ganz erheblich zur
Luftverschmutzung bei, das haben Recherchen von „Report Mainz“
(heute, 12.3., 21.45 Uhr im Ersten) aufgedeckt. Der Grund dafür sind
fehlerhafte Austausch-Katalysatoren, die auf dem deutschen
Autoteile-Markt massenhaft verkauft werden. Messungen der Deutschen
Umwelthilfe, die „Report Mainz“ mit der Kamera begleitet hat, zeigen,
dass diese Billig-Katalysatoren die Grenzwerte für Stickoxide zum
Teil erheblich überschreiten.

„Nur der hochwertige Katalysator hat den Grenzwert eingehalten.
Die Billig-Kats sind alle weit über dem Grenzwert“, erklärt der
Projektmanager der Deutschen Umwelthilfe, Simon Annen. Einige Modelle
lagen beim Stickoxid-Ausstoß im Bereich der manipulierten
Dieselfahrzeuge. „Das Problem ist, dass wir bei der Abgasuntersuchung
(AU) gar keine Stickoxide messen. Das heißt, wenn ein Katalysator in
diesem Bereich nicht funktioniert, kann das nicht auffallen“, erklärt
Thomas Schuster von der Kfz-Prüforganisation „KÜS“. So konnte das
Team von „Report Mainz“ zeigen, dass ein VW Passat trotz mangelhaftem
Billig-Katalysator ohne Probleme die AU bestand. „Das heißt,
ausgerechnet der Stoff (Stickoxide), über den die Republik seit
Jahren diskutiert, wird bei der Auspuffmessung nicht gemessen. Das
ist natürlich ein Unding und müsste dringend geändert werden“,
kritisiert der grüne Verkehrspolitiker Oliver Krischer.

Massenhaftes Problem

„Katalysatoren verlieren nach durchschnittlich rund 8 Jahren oder
über 80.000 Kilometern ihre Leistung“, so Philipp Schulte,
Geschäftsführer des deutschen Kat-Herstellers HJS. Dann müssen sie
gegen einen Austausch-Katalysator ersetzt werden. Dieser Markt werde
von Billig-Katalysatoren aus Spanien und England beherrscht, „wir
schätzen das Dreiviertel des Marktes Billigkatalysatoren sind, das
ist stark zunehmend. Die Preise dominieren da den Markt“, so Philipp
Schulte. Ein Katalysator-Hersteller aus dem Badischen zitiert aus
einer Marktanalyse, laut der pro Jahr bis zu 900.000
Billig-Katalysatoren in Deutschland verkauft werden. Bei
Online-Händlern oder auf der Plattform „ebay“ gibt es zehntausende
Angebote für nahezu alle Benzin-Fahrzeugmodelle.

Gespart wird an Edelmetallen

Ohne funktionierenden 3-Wege-Katalysator stoßen auch
Benzin-Fahrzeuge sehr hohe Konzentrationen an Stickoxiden aus. Doch
die Edelmetalle in den Katalysatoren reduzieren die Schadstoffe
normalerweise deutlich. Zum Einsatz kommen Platin, Palladium und
Rhodium. Letzteres ist das teuerste der drei Edelmetalle und sorgt
für die Reduzierung der Stickoxide. Nach Angaben der deutschen
Kat-Hersteller kostet ein mit Edelmetallen beschichtetes Innenteil
eines Katalysators mehr als 100 Euro – der gesamte Kat zwischen 300
und 500 Euro. Aber die Billigkatalysatoren werden als Komplettsets
inklusive aller Rohre im Internet schon ab 50 Euro angeboten. „Da
muss man einfach davon ausgehen, dass ein seriöses Bauteil für den
Preis nicht hergestellt werden kann“ so Philipp Schulte.

Analysen von „Report Mainz“

„Report Mainz“ hat einen weit verbreiteten Billigkatalysator für
einen VW-Golf in einem unabhängigen Labor untersuchen lassen. Die
Ergebnisse waren eindeutig. Der Katalysator enthielt nur 0,1 Gramm an
Edelmetallen. In einem baugleichen Qualitätskat aus Deutschland lag
der Gehalt 10-mal so hoch. Beim für die Stickoxide wichtigen Rhodium
hatte der Billigkat sogar nur ein Dreißigstel der nötigen Menge. Ohne
Edelmetalle funktioniert ein Katalysator nicht.

Problem ist Behörden seit Jahren bekannt

Die Recherchen von „Report Mainz“ decken sich mit den Ergebnissen
einer Untersuchung der „Bundesanstalt für Straßenwesen“ (BASt) aus
dem Jahr 2015. Experten der BASt hatten mehrere günstige
Katalysatoren verdeckt gekauft und untersucht. Einige Modelle lagen
bereits im Neuzustand weit über den erlaubten Stickoxid-Grenzwerten,
andere versagten nach 10.000 oder 40.000 Kilometern Fahrleistung.
„Das Problem ist den Behörden also seit Jahren bekannt, aber das
Verkehrsministerium hat überhaupt nichts unternommen“, kritisiert
Oliver Krischer, Verkehrsexperte der Grünen im Bundestag. Für ein
Interview stand man bei der Bundesanstalt nicht zur Verfügung. Das
Bundesverkehrsministerium bestätigte „Report Mainz“ schriftlich, dass
es Probleme mit „unzureichender Qualität von Austauschkatalysatoren“
gebe. Ein Interview zu dem Thema lehnte das Verkehrsministerium ab.
Diese Katalysatoren hätten aber EU-Zulassungen und daher seien
deutschen Behörden die Hände gebunden. Ein nationaler gesetzlicher
Alleingang sei ein Verstoß gegen die geltenden EU-Bestimmungen für
den Binnenmarkt, so das Verkehrsministerium.

Forderung: Kontrollen verbessern

Experten fordern jetzt, dass neben der Abgasuntersuchung (AU) auch
die Zulassung für Katalysatoren verbessert werden müsse, damit
mangelhafte Kats nicht auf den Markt kommen. „Wenn Institutionen
ihrem Auftrag nicht nachkommen und der Auftrag ist an dieser Stelle
die Gesundheit der Menschen und saubere Luft in Innenstädten, dann
ist das für mich Staatsversagen“, so Oliver Krischer. Das
Kraftfahrtbundesamt beantwortete weder schriftlich noch in einem
Interview die Fragen von „Report Mainz“.

Zitate gegen Quellenangabe frei

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an „Report Mainz“, Tel. 06131 929
33351.

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