Der unerwartet heftige Widerstand gegen einen
selbst ernannten Diktator mag ein winziger Hoffnungsschimmer für
Ägyptens Zukunft sein. Doch zugleich verhärtet er die Fronten: Macht
Präsident Mursi keine Zugeständnisse, droht sogar ein Bürgerkrieg –
mit ungewissem Ausgang. Denn die tiefe Enttäuschung der jungen
Revolutionäre vom Tahrirplatz, mit dem Sturz Mubaraks nichts erreicht
zu haben, sucht ein Ventil; konservative Kreise wie die Justiz fühlen
sich ebenfalls betrogen. Die Muslimbrüder kämpfen dagegen für „ihren
Präsidenten“ und könnten die Landbevölkerung mobilisieren.
Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit, keinerlei Perspektive – es gibt
zu viele Ägypter, die nichts mehr zu verlieren haben. Offenbar hat
Mursi, der doch vorgab, Präsident aller Bürger sein zu wollen, den
Bogen überspannt. Die mutmaßliche Marionette der Muslimbrüder macht
deshalb wahrscheinlich einen Schritt zurück. Doch das Ziel eines
streng muslimisch geführten Ägypten wird er nicht aufgeben. Das
spaltet nicht nur das Land, es destabilisiert den gesamten Nahen
Osten.
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