Kommentar von Martin Kessler
Die Nominierung des Ex-Bürgerrechtlers Joachim Gauck zum
gemeinsamen Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten ist für
Kanzlerin Merkel eine doppelte Niederlage. Erst musste ihr Kandidat
Christian Wulff vorzeitig abtreten. Nun gab sie sich einer Phalanx
aus SPD, Grünen und FDP geschlagen. Doch Merkel dürfte wie im Fall
der Energiewende die Niederlage doch noch in einen Vorteil für sich
umwandeln, auch wenn es sie sichtlich Überwindung gekostet hat, den
zuvor von ihr abgelehnten Kandidaten Gauck zu akzeptieren.
Tatsächlich ist er die Wahl, die dem gegenwärtigen Status Quo am
wenigsten schadet. Der frühere Umweltminister Klaus Töpfer, der
ebenfalls bis zum Schluss gehandelt wurde, wäre als Vorbote für eine
schwarz-grüne Koalition gedeutet worden. Das konnten weder die FDP
noch die SPD mittragen. Zugleich hat Merkel Gespür für die Meinung
des Volkes bewiesen. Denn Gauck genießt bei den Wählern einen großen
Vorsprung vor den anderen möglichen Kandidaten. Und wenn Integrität
die wichtigste Eignung für den neuen Präsidenten ist, kommt man an
dem mutigen Streiter für Demokratie und Freiheit in der DDR einfach
nicht vorbei. Damit ist noch nicht gesagt, ob er auch ein guter
Bundespräsident wird. Er hat aber alle Chancen dafür.
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