Rheinische Post: Steinbrück: kleines Karo, große Gefahr

Politische Skandale tragen häufig kleines Karo,
aus dem dann das große Bild entsteht. So ist es auch im Falle Peer
Steinbrücks, der seinen Freifahrtschein als Abgeordneter auf
Vortragsreisen nutzte. Das ist kein Skandal. Der Redner Steinbrück
ist vom Abgeordneten schlecht zu trennen. Öffentlichkeit und
politische Gegner sollten ihm die nötige Beinfreiheit gewähren. Das
kleinkrämerische Detektivgehabe verwischt zudem den Blick auf die
tatsächliche Gefahr für den Kanzlerkandidaten. Er selbst hat diese
erst spät benannt: Ihm mangelt es an Fingerspitzengefühl. Der Schaden
dadurch entsteht mehr im eigenen Lager. Denn Sozialdemokraten ziehen
von Otto Wels bis Willy Brandt stolz die Traditionslinie ihrer SPD
als einer Partei mit sicherem Gespür für das Gute und das
Schickliche. Steinbrücks Gedankenlosigkeit in Nebensächlichem und
sein wirres Krisenmanagement könnten den Nährboden einer tückischen
Charakterdebatte bilden. So kann es für den Kandidaten nur noch darum
gehen, nicht noch stärker beschädigt die Weihnachtspause zu erreichen
und mit einem möglichen Sieg von Rot-Grün am 20. Januar in
Niedersachsen seine Kampagne neu zu starten.

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