Der Anschlag von Solingen hat das
Sicherheitsempfinden der Menschen mit türkischen Wurzeln in
Deutschland beeinträchtigt. Ein Gefühl, das später durch die
rechtsterroristischen NSU-Morde neue Nahrung bekam. Fünf Menschen
starben wegen des vorsätzlich gelegten Brandes. Dass bei dem Gedenken
an eine solche Bluttat ein Vertreter ihres Herkunftslandes eine Rede
halten darf, ist eine Selbstverständlichkeit. Eigentlich.
Doch der angekündigte Auftritt des türkischen Außenministers
Mevlüt Cavusoglu ruft auf deutscher Seite skeptische bis abwehrende
Reaktionen hervor, und das hat sich die türkische Regierung selbst
zuzuschreiben. Ihr auf Krawall gebürstetes Vorgehen vor dem
türkischen Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr hat Spuren
hinterlassen, die auch nicht dadurch ausgeräumt werden, dass Ankara
in letzter Zeit bisweilen auch Signale der Mäßigung ausgesandt hat.
Diese werden immer wieder konterkariert durch Ausfälligkeiten wie
zuletzt die Vorwürfe des türkischen Regierungschefs Binali Yildirim
gegen die Stuttgarter Polizei, die einen Türken von einem Angriff auf
kurdische Demonstranten abgehalten hatte.
Es bleibt das Misstrauen, dass türkische Regierungspolitiker einen
Anlass wie das Solingen-Gedenken eben doch für ihren Wahlkampf
nutzen. Zumal die Grenzen fließend sind und schon in Cavusoglus
Präsenz eine Botschaft steckt: Wer türkische Wurzeln hat, bleibt
Türke, und der türkische Staat bleibt für ihn zuständig – unabhängig
vom Pass. Eine Haltung, in der sich die islamisch-konservative
türkische Regierung mit jenen trifft, die hierzulande die Frage, ob
„der“ Islam zu Deutschland gehöre, am heftigsten verneinen.
Der Verdacht liegt nahe, dass die türkische Führung das Gedenken
in Solingen bewusst nutzt, um das von Deutschland erlassene
Auftrittsverbot zu umgehen. Im Grunde könnte der regierenden AKP
nichts Besseres passieren als eine Ausladung, ein solcher Affront
wäre ein Hit für den Wahlkampf. Solange es bei dem einen Auftritt
Cavusoglus bleibt, sollte man ihr diesen Gefallen nicht tun.
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