Schwäbische Zeitung: „Russland kann in Syrien helfen“ – Leitartikel

Russland mischt in Syrien wieder aktiv mit.
Zwar gibt es keinen Grund zur Annahme, dass Moskaus Bodentruppen
bereits in Kämpfe gegen die Erzfeinde des geschwächten Diktators
Baschar al-Assad – den islamischen Staat (IS) und die
al-Nusra-Rebellen – verwickelt sind. Zweifellos jedoch verstärkt
Präsident Wladimir Putin seine Militärhilfe für den arabischen
Verbündeten in Not. Der Kremlchef tut dies natürlich nicht aus
Nächstenliebe.

Putin geht es erstens darum, seine militärische Präsenz in einem
der wichtigsten geostrategischen Brennpunkte zu erhalten. Der kleine
Marinestützpunkt Tartus ist sein Garant dafür, im Wettkampf mit den
Großmächten um Ressouncen und Einfluss im Nahen Osten politisch
mitspielen zu können. Russlands Führung ist nicht daran interessiert,
die IS-Kämpfer vor den Toren ihrer Basis zu sehen. Im Gegenteil:
Genau wie Assad und die westlichen Staaten fürchtet Moskau den
Vormarsch der Terrormiliz, die ein Riesenkalifat vom Persischen Golf
bis zur Mittelmeerregion aufbauen will. Das hätte sicher Folgen für
die instabile Kaukasusregion, in der Russland bereits Kriege gegen
Islamisten geführt hat.

Und genau darum ist die US-Kritik an Russlands „Einmischung“ in
Syrien bestenfalls halbherzig. Ja, Putin verlängert durch die
Aufrüstung Syriens wahrscheinlich Assads Zeit an der Macht. Doch
Russland könnte neben Iran ein wichtiger Faktor werden, der den IS
daran hindert, in Damaskus einzumarschieren, während Frankreich,
Großbritannien und andere Staaten den Luftkrieg gegen den
Dschihadisten ausweiten.

Moskau hat früher in der Region eine konstruktive Rolle gespielt –
bei der Vernichtung der chemischen Waffen Assads oder dem Atomdeal
mit dem Iran. Es wäre einen Versuch wert, Putin in eine
internationale militärische Koalition gegen den IS einzubeziehen,
auch wenn das derzeit unwahrscheinlich klingt. Wenn Russland und der
Westen einander mehr vertrauen und sich auf gemeinsame Interessen
besinnen, könnten sie die Entfremdung verhindern, die seit Beginn des
Ukraine-Krieges ihre Beziehungen zunehmend lähmt.

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