Schwäbische Zeitung: Durch Wort und Tat überzeugen – Leitartikel

Es geht um das höchste Staatsamt, dennoch sei
gestattet: Aller guten Dinge sind drei. Innerhalb von nur zwei Jahren
gibt es den dritten Bundespräsidenten. Angela Merkel lag zweimal
kolossal daneben, sie ist gut beraten, jetzt einen Kandidaten zu
küren, der parteiübergreifend Zustimmung findet. Der sanfte Druck der
politischen Realität lässt ihr keine andere Wahl. Schwarz-Gelb
verfügt nur über eine hauchdünne Mehrheit in der Bundesversammlung,
was Politstrategen ungemein bei der Meinungsbildung hilft.

Aus taktischen Gründen ließ Merkel bisher präsidiable
Persönlichkeiten nicht zum Zuge kommen. Die Kanzlerin hievte
stattdessen ungeeignete Kandidaten wie den unglücklichen Horst Köhler
oder den trickreichen Christian Wulff ins höchste Staatsamt. Wer
kritisiert, dass dabei kaltes Kalkül eine Rolle spielte, ist schlicht
naiv.

Das Präsidentenamt war immer wesentlich für den Machterhalt oder
die Festigung der Regierungsgewalt. So sei an Gustav Heinemann 1969
erinnert, dessen Wahl Vorbote für die erste sozialliberale Regierung
war. Oder die Kandidatenkür Köhlers: Damals verhinderte FDP-Chef
Guido Westerwelle die Bewerbung Klaus Töpfers. Der renommierte
ehemalige Bundesumweltminister wäre auch für Grüne und SPD wählbar
gewesen, die FDP aber hätte ihre Funktion als Zünglein an der Waage
verloren. Deshalb durfte der Geeignetere nicht antreten.

So paradox es klingen mag, der überparteiliche Kandidat kann ruhig
ein Parteibuch haben. Er muss aber staatsmännische Gravität besitzen,
er muss Vertrauen und Würde ausstrahlen, er muss durch Wort und Tat
überzeugen. Das Amt des Bundespräsidenten ist keineswegs fundamental
beschädigt, es muss aber wieder glaubwürdig und integer ausgefüllt
werden.

Um es der Findungskommission leichter zu machen: Töpfer ist immer
noch da, und in der Union gibt es auch noch den intellektuell
hervorstechenden Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Beide wären
erste Wahl. Und für Merkel könnte aus zwei Niederlagen ein Sieg
werden.

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