Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Ägypten – Viele neue Terroristen

Die Unerbittlichkeit des ägyptischen Militärs
ist abstoßend. Wie kann es sein, dass junge Frauen in Kairo durch von
Uniformierten abgegebene Schüsse in den Rücken und in die Brust
sterben? Diese Gewalt wirkt aus der Ferne so erschreckend wie das
Kalkül der Muslimbrüder, wonach möglichst viele Tote bei den
Protesten dem Widerstand großen Zulauf bescheren.

Und was geht uns das an? Ziemlich viel, denn in Ägypten wird
gerade der Nährboden für einen neuen islamistischen Terrorismus
bereitet. Die Generalität am Nil hat ganz offensichtlich nichts aus
der Geschichte gelernt. Denn vor 50 Jahren wurden schon einmal
Ägypter unterdrückt, die mit dem säkularen Staat nichts anzufangen
wussten, die einen auf islamischen Prinzipien basierenden Gottesstaat
wollten. Sayyid Kutb hieß der gebildete Mann, der nach Jahren in den
USA in seiner Heimat die Muslimbruderschaft gründete. Es war der
Diktator Nasser, der die Bewegung unterdrückte, und ihren Gründer
schließlich 1966 hinrichten ließ. Die Gnadenlosigkeit, mit der Nasser
die religiösen Rebellen verfolgte, markierte nicht nur die
Geburtsstunde der Muslimbrüder, sondern auch des islamistischen
Terrorismus.

Wenn heute wieder Hunderte getötet werden, werden junge Menschen,
die sich erst von den Muslimbrüdern und dann von den Militärs
Demokratie erhofft hatten, in den Untergrund gedrängt. Mancher, den
heute Soldaten jagen, wird bei terroristischen Gruppierungen enden.

Übrigens sitzt irgendwo in Afghanistan oder in Pakistan ein
Ägypter, dessen Geschichte viel sagt über den Zusammenhang zwischen
Repression und Terrorismus. Ayman az-Zawahiri kommt aus bestem
Kairoer Hause und ist Mediziner. In den 1970er-Jahren wurde er vom
Regime in Kairo verfolgt und schwer gefoltert, weil er mit den
Muslimbrüdern sympathisierte. Viele Jahre stand er im Schatten seines
Chefs, Osama bin Laden. Seitdem der tot ist, ist az-Zawahiri Chef des
Terrornetzwerks al-Kaida.

Ägyptens Militär schafft gerade viele neue az-Zawahiris.

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