Schwäbische Zeitung: Marx holt Kirche aus der Defensive

Mit Reinhard Marx haben die deutschen Bischöfe
einen Vorsitzenden gewählt, der wie kaum ein Zweiter für die Linie
des Papstes steht und sie in Deutschland umsetzen wird. Mitglied in
der Kommission zur Reform der Kurie, Koordinator des Wirtschaftsrats
im Vatikan: Geht mehr Nähe zum Papst?

Seit genau einem Jahr steht fest: Franziskus will eine Kirche, die
von den Armen her denkt und handelt, die barmherzig ist, die
Missstände beim Namen nennt und sie anpackt. Franziskus– Mann in
Deutschland, der anerkannte Sozialethiker Marx, predigt seit langem
diese Vorstellungen, kann sie begründen, liefert Argumente. Wenn
Zweifler im Vatikan kolportierten, dass Franziskus seine Kirche
umkrempeln will, aber nicht liefern kann: Mit Marx– Wahl dürften
diese Zweifel ausgeräumt sein.

Die deutschen Katholiken bekommen einen Vormann, der intellektuell
geschliffen formuliert, dies aber im Gegensatz zu vielen seiner
Mitbrüder auch medienwirksam transportieren wird. Das
Talkshow-Publikum darf sich auf Wortgefechte mit Marx freuen, der
keinem Gegner aus dem Weg gehen wird. Die Kirche wird ein schärferes
Profil bekommen, sie wird an Stimme und Gewicht gewinnen. Gut
möglich, dass die Kirche aus der Defensive kommt. Denn Marx zeigt
klare Kante.

Freilich wird der aus einer selbstbewusst-katholischen Ecke
Westfalens stammende Kardinal lernen, dass er, der gerne und schnell
polarisiert, nun für 27 ebenso selbstbewusste Bischöfe sprechen muss.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz ist nicht der Chef der
Bischöfe: Hier sind Konflikte vorgezeichnet. Wiederverheiratet
Geschiedene, Missbrauchsskandal, Transparenz, Kirchensteuern: Hier
steht Marx für die Suche nach Lösungen, während viele Bischöfe die
Probleme aussitzen. Er wird vermitteln müssen.

Bei allem Dialog: Der neue Vorsitzende stellt das Zentrum des
Glaubens, die Gottesbotschaft, das Evangelium, stets in den
Mittelpunkt seiner Arbeit. Über eine Veränderung von Glaubensinhalten
oder eine Anpassung an den Zeitgeist diskutiert ein Reinhard Marx
nicht. Nie.

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