Der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff hält die
deutschen Computernetze „für extrem angreifbar“. Wolff, der Mitglied
des Parlamentgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste ist, sagte den
Stuttgarter Nachrichten (Dienstag): „Wir sind in Deutschland derart
hoch vernetzt, dass die Angreifbarkeit im IT-Bereich extrem stark
ist: Das kann durch externe Hacker-Angriffe wie jetzt im Israel oder
externe Massen-Spam sein, aber auch durch den unkontrollierten
Einkauf von Soft- oder Hardware, wenn beispielsweise versteckte
Trojaner mitgeliefert und aktiviert werden. Solche Gefahren
existieren, und wir sollten sie ernst nehmen.“ Wolff ist der erste
Koalitionspolitiker, der diese Sicherheitslücken einräumt.
Am Montagmorgen hatten anti-israelische Hacker erneut wichtige
israelische Webseiten lahmgelegt. Vize-Außenminister Danny Ajalon
droht mit einem Gegenschlag. Die Attacken gelten als weitere
Verschärfung eines Kriegs im Internet (Cyberwar), der eine mutmaßlich
saudische Hackergruppe in diesem Monat begonnen hatte.
Hartfrid Wolff appelliert daran, die in Deutschland
verfassungsrechtlich vorgeschriebene Trennung von innerer und äußerer
Sicherheit zu überdenken. Mit Blick auf die Nato, die sich verstärkt
mit Cyber-Kriegen und Cyber-Verbrechen auseinandersetzen will, sagte
er: „Wir haben mittlerweile im IT- Bereich eine asymmetrische
Bedrohunglage, in der die Trennung zwischen staatlicher und
terroristischer oder krimineller Bedrohungen technisch nicht mehr
aufrechtzuerhalten ist. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir
derart asymmetrischen Bedrohungen gerecht begegnen können, ohne dass
die verfassungsrechtlichen Grundpfeiler verschoben werden und alle
Schleusen geöffnet werden: Die Herausforderungen der Gegenwart sind
nicht im alten Zuständigkeitsdenken zu lösen. Zum Schutz unserer
kritischen Infrastrukturen brauchen wir moderne, rechtsstaatliche
Herangehensweisen in effektiven Sicherheitsstrukturen.“
Mit Blick auf so genannte Trojaner – also Spähsoftware, die
deutsche Sicherheitsbehörden auf dem freien Markt kaufen und bei der
Online-Überwachung von Verdächtigen einsetzen – stellt Wolff die
IT-Kompetenz der Landeskriminalämter und Länderpolizeien in Frage.
„Können die Behörden feststellen, dass die gelieferte Software nicht
über die Hintertür Trojaner in die eigenen Computer pflanzt, die
wiederum zur Gefahr für die Sicherheitsbehörden werden können?“ Der
FDP-Politiker dringt darauf, dass die Behörden Spähsoftware selbst
entwickeln, statt sich wie bisher die Computerprogramme vom freien
Markt einzukaufen. Dafür sollten dringend qualifizierte Ingenieure
und IT-Fachleute eingestellt werden.
Auch aus juristischer Sicht brauchten die Behörden mehr und gut
ausgebildetes Personal, um die Software daraufhin zu prüfen, dass sie
tatsächlich „nur das kann, was es können soll“. Die Fahnder müssten
in der Lage sein, in jedem Einzelfall die juristisch richtige
Spähsoftware anzuwenden. Zuletzt hatte ein so genannter
Staatstrojaner deutlich mehr auf dem Computer eines Tatverdächtigen
ausgespäht, als es die anordnenden Richter gebilligt hatten. Darum
weist Wolff auf einen weiteren Aspekt hin: „Wenn wir auf einem
bespähten Computer Trojaner einbauen, öffnen wir die Tür auch für
alle anderen. Dass kann und darf so nicht sein. Ich muss wissen und
nachweisen können, dass meine Software garantiert rechtstaatlichen
Grundätzen entspricht. Kann ich das nicht garantieren, muss ich–s
sein lassen.“
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