Südwest Presse: Kommentar zu Betreuungsgeld

Die Koalition steckt in der Klemme: Das Betreuungsgeld
für Eltern ist möglicherweise als Unterstützung für Erziehende gut
gemeint – doch es erweist sich im Alltag als kinder- und
frauenfeindliches Instrument. Studien aus Thüringen, wo diese Prämien
bereits 2006 eingeführt worden ist, bestätigen alle Vorbehalte. Aus
Rücksicht auf die CSU kann die Koalition das Vorhaben jedoch nicht
fallen lassen. Dabei bremst das Betreuungsgeld die Erwerbstätigkeit
von Frauen und fördert falsche Anreize, Kinder von Gleichaltrigen in
Tagesstätten fernzuhalten – gerade dort, wo Anregungen von außen
mitunter besonders hilfreich wären: bei gering qualifizierten Eltern,
Familien mit niedrigem Einkommen oder Migrantenhintergrund oder
Alleinerziehenden. Damit ist nicht gesagt, dass Geringqualifizierte
keine liebevollen Eltern sein können. Das heißt auch nicht,
ungeteilte Aufmerksamkeit von Vater oder Mutter sei Erziehung zweiter
Wahl. Doch das konservative Modell der Ein-Ernährer-Familie kommt im
Alltag an seine Grenzen. Der Arbeitsmarkt gibt das perspektivisch
betrachtet nicht mehr her. Ein einzelnes Gehalt reicht bei immer
weniger Beschäftigten aus, um eine ganze Familie ernähren zu können.
Das auf 100 bis 150 Euro festgelegte Betreuungsgeld löst diese Misere
nicht. Es führt zu Mitnahmeeffekten, ohne längerfristigen Nutzen.
Familien brauchen vielseitige Unterstützung – falsche Anreize
brauchen sie nicht.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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