Südwest Presse: Kommentar zum Friedensnobelpreis

Ein Preis der Leere scheint der diesjährige
Friedensnobelpreis zu sein. Leer blieb der Stuhl des inhaftierten
Preisträgers Liu Xiaobo während der Verleihungszeremonie in Oslo.
Leer blieben auch die chinesischen Medien mit jeglichen Berichten
über die Veranstaltung. Ins Leere liefen viele Kontakte zu Freunden
und Bekannten von Liu in China – sie standen unter Hausarrest, ihre
Handys und ihr Internetanschluss funktionierten nicht. Ein Drittel
der geladenen Staatsmänner erschien nicht zur Preisverleihung. Zu
diesen Leerstellen kommen viele Fragen: Zählt die wirtschaftliche
Potenz Chinas doch mehr als die Ideale von Frieden, Freiheit und
Gerechtigkeit? Sind diese nur scheinheilige Werte eines Teils der
Welt? Sind wirtschaftliche Krisen oder politische Konflikte
unvermeidbar, wenn man Chinas Rechtsverständnis kritisiert? Die
kommunistische Führung – oder Teile von ihr – bäumen sich gegen den
Wind des Wandels auf. Ihre Bevölkerung misstraut vorgefertigten
Urteilen und Lösungen von westlicher wie von staatlicher Seite. Sie
sorgt sich um die Stabilität ihres Landes und die eigene Zukunft.
Wohnungsbesitzer, Eltern, Studenten, Bauern und auch Parteikader
fordern immer lauter den Schutz ihrer Rechte – die Grundlage eines
freiheitlichen und gerechten Staates. Dass sie die bestehende
Rechtsleere nie alleine füllen kann, weiß die kommunistische Führung
sehr gut. Deshalb schützt sie die eigene Leere, solange sie kann.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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