Die Schatten der Vergangenheit Argentiniens haben nun
auch Rom erreicht. Papst Franziskus wird mit Fragen konfrontiert, die
auf seine Rolle als Provinzial des Jesuitenordens in der Zeit der
Militärdiktatur zielen. Hatte er möglicherweise eine zu große Nähe
zur Junta gepflegt, auf deren Konto 30 000 Tote und Verschwundene
gehen? Die Vorwürfe sind nicht neu. In Argentinien wurden sie 2010
mit einer Befragung offiziell geprüft und man kann sicher sein, dass
nicht wenigen Kreisen zupassgekommen wäre, den scharfen Kapitalismus-
und Regierungskritiker Bergoglio zu diskreditieren. Beweise fehlten
aber. Es blieben Fragen zur Rolle der Kirche in Zeiten der Diktatur.
Wie viel Nähe war damals nötig, um Bedrängte und Verfolgte aus den
Klauen der Militärs zu befreien, wie viel Distanz geboten, um nicht
im Sumpf der Mörder selbst befleckt zu werden? Einfache Antworten
gibt es heute vermutlich nur für jene, die nie einer solchen
Situation ausgesetzt waren. Die offizielle Kirchenlinie hieß damals
Neutralität. Provinzial Bergoglio versuchte sie durchzusetzen – auch
mit Druck auf abtrünnige Ordensmitglieder. Ob er sie damit zusätzlich
in Gefahr brachte, ist schwer zu sagen. Doch bei allem was bekannt
ist, darf angenommen werden, dass der Jesuit kein Sympathisant der
Junta war, und schon gar nicht ihr Handlanger. Zu den
Widerstandskämpfern – wie es sie zahlreich unter den Jesuiten und
Priestern gegeben hat – zählte er jedoch ebenso wenig. Seine Wahl zum
Papst gibt nun die Möglichkeit, die Rolle der argentinischen Kirche
in der Zeit der Militärdiktatur noch einmal zu beleuchten. Aber bitte
ohne Vorverurteilung.
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Südwest Presse
Lothar Tolks
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