Südwest Presse: Kommentar zur FDP

Vom FDP-Generalsekretär Christian Lindner hätte man
mehr Klugheit und politischen Instinkt erwartet. Denn schließlich
stand am Anfang des steilen Niedergangs seiner Partei das
Schwadronieren des früheren Parteichefs Guido Westerwelle über
„römische Dekadenz“ unter Hartz-IV-Beziehern. Jeder Freidemokrat
hätte aus den Folgen den Schluss ziehen müssen, dass man sich dieses
Themas sensibel anzunehmen hat als (gut bezahlter) Politiker. Doch
Lindner widmet sich im Sommerloch ausgerechnet denen, die nach
dreißig und mehr Berufsjahren arbeitslos werden und mit fast 60 dann
erst ein Jahr später zum mit Hartz IV verbundenen Offenbarungseid
gezwungen werden als Jüngere. Sprich: Ihre Vermögensverhältnisse
offenlegen, die Reserven angreifen müssen. Wer mit 60 noch arbeitslos
wird, trägt daran in der Regel nicht selbst Schuld. Er wird nicht
freiwillig seinen Arbeitsplatz mit über 55 bloß deshalb aufgeben,
weil er dann das „Privileg“ genießt, zwei Jahre statt nur einem das
normale Arbeitslosengeld zu beziehen, ehe Hartz IV greift. Es steht
einem Sozialstaat also gut an, hier die ansonsten strengen Regeln ein
wenig lockerer zu handhaben. Wenn Lindner schon kein Gespür hat für
die Würde der Betroffenen, hätte man ihm zumindest die Cleverness
zugetraut, zu erkennen, das sein Vorschlag der FDP nur weiteren
Schaden zufügt, weil er politisch ohnehin keine Chance zur Umsetzung
hat. Doch solche Einsicht in einer Partei zu erwarten, die
Steuersenkungen auf Kosten unserer Kinder und Enkel durchsetzt, ist
wohl zuviel verlangt. Die FDP, das demonstriert Lindner, hat die
Talsohle noch immer nicht erreicht.

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Lothar Tolks
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