Südwest Presse: Leitartikel zu Bundeswehr
Ausgabe vom 29.01.2011

Südwest Presse Ulm, Leitartikel zu Bundeswehr Ausgabe
vom 29.01.2011 Um eine Sorge ärmer ist der Verteidigungsminister seit
gestern immerhin. Die Verlängerung des Bundeswehr-Mandats für den in
der Bevölkerung höchst umstrittenen Afghanistan-Einsatz gründet auf
einer breiten parlamentarischen Mehrheit. Das ist ebenso gut für die
Soldaten und ihre Angehörigen wie für Karl-Theodor zu Guttenberg, der
in diesen Tagen an manchen Fronten zu kämpfen hat. Gewiss wäre der
CSU-Hoffnungsträger froh, wenn er auch an seinen übrigen Baustellen
alsbald Vollzug melden und dabei nicht nur auf die Unterstützung der
schwarz-gelben Koalition setzen könnte, sondern zugleich auf den
Respekt der Opposition. Danach sieht es gegenwärtig jedoch nicht aus.
Das Krisenmanagement des Ministers in den drei Skandalen um die
„Gorch Fock“, den Todesschuss am Hindukusch und die gefilzte Feldpost
überzeugte von Beginn an weder die parteipolitische Konkurrenz noch
das bisher so geneigte Publikum, das den fränkischen Medienliebling
in jüngsten Umfragen prompt mit Abzügen in der Haltungsnote bestraft.
Selbst im Regierungslager wird neuerdings an der Amtsführung des
populären Freiherrn gemäkelt, und das nicht bloß in den Reihen der
FDP, die lange darauf gewartet hat, dass der Strahlefix des Kabinetts
endlich auch mal im Schatten steht. Es wird aus mancherlei Gründen
interessant sein, wie sich zu Guttenberg aus der Affäre zieht. Das
wird viel aussagen über den Betroffenen und seine Befähigung, aber
obendrein über den politischen Betrieb und die Wechselwirkungen
zwischen persönlicher Selbstdarstellung und öffentlicher Meinung. Der
rasante Aufstieg des gerade mal 39-jährigen Familienvaters vom
vielversprechenden Nachwuchsmann zum künftigen Kanzlerkandidaten
hatte etwas gleicher Maßen Atemberaubendes wie Irreales. Die Karriere
dieses scheinbar begnadeten Talents von edler Herkunft und lässiger
Eleganz wurde befrachtet mit Erwartungen, die zu Guttenberg nicht
einmal erfüllen könnte, wenn ihm ab sofort alles gelingen würde, was
er anpackt. Schon gar nicht dürfen dem Minister Fehler unterlaufen,
wie sie ihm schon jetzt angekreidet werden. Die inzwischen
eingeräumten „Informationspannen“ bei der Bundeswehr sind Folgen
struktureller Mängel, die auch unter der Fuchtel des oft so markig
auftretenden Inhabers der Befehls- und Kommandogewalt bei der Truppe
nicht abgestellt wurden. Die Neigung, seinen zahlreicher werdenden
Kritikern Ahnungslosigkeit vorzuwerfen, zeugt von Hochmut, der
bekanntlich zu den Todsünden von Politikern zählt. Schließlich ist
der Eindruck, dass sich zu Guttenberg auf Zuruf auflagenstarker
Boulevard-Blätter zu Maßnahmen hinreißen lässt, die sein weiser
Vorgänger Helmut Schmidt offen rügt, so schädlich für die
Bundesregierung wie brandgefährlich für ihren Shootingstar. Die bis
dato schwindelnden Beliebtheitswerte schützen den Jung-Siegfried der
deutschen Politik nicht auf Ewigkeit vor Blessuren oder Absturz –
entweder durch eigenes Versagen oder durch fremde Einwirkung. Die
enorme Fallhöhe, ausgelöst durch die Macht der Medien und Demoskopen,
ist vielmehr geeignet, bei einer Landung auf dem Boden der Tatsachen
beträchtliche Schmerzen zu verursachen. Tatsächlich könnte sich der
Sturm, der den Gebirgsjäger der Reserve im Augenblick umtost, als
laues Lüftchen erweisen, sobald der Minister erst einmal seine
ehrgeizige Wehrreform durchzufechten hat – mit all ihren Zumutungen
für die Soldaten, den Apparat und die Standorte. Erst dann wird sich
zeigen, ob Karl-Theodor zu Guttenberg aus jenem Holz geschnitzt ist,
das ihm seine Anhänger attestieren, oder ein Kunstprodukt aus
geschickter Inszenierung und naiver Projektion.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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