Nur noch alle zwei Jahre Steuererklärungen abgeben,
und die werden vom Finanzamt gleich vorausgefüllt den Bürgern
zugeschickt. Gelegentlich versucht Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble (CDU) den Eindruck zu erwecken, als winkten den geplagten
Steuerzahlern demnächst paradiesische Zustände. Tatsächlich gehören
beide Punkte auch zu dem Katalog, auf den sich der
Koalitionsausschuss von Union und FDP heute einigen will und der
teilweise schon im nächsten Jahr in Kraft treten könnte. Doch die
Steuerzahler sollten nicht allzu große Hoffnungen hegen: Sehr viel
weniger Zeit als bisher dürften die meisten auch künftig nicht für
das Ausfüllen der Formulare benötigen. Vom Steuersparen ganz zu
schweigen. Das liegt schon daran, dass deutsche Ministerialbeamte
erst einmal an die Bürokratie denken, wenn sie die Gesetze schreiben,
und nicht an die Bürger, für die sie eigentlich da sind. Mühsam
mussten ihnen die Finanzpolitiker der Koalition beibringen, dass sie
eine Vereinfachung in erster Linie für die Steuerzahler anstreben und
nicht nur für die Finanzämter. Die feiern es bereits als großen
Fortschritt, wenn elektronisch übermittelte Rechnungen einfacher
anerkannt werden, obwohl das im Zeitalter des Internet eine
Selbstverständlichkeit sein sollte. Die Steuererklärung nur noch alle
zwei Jahre ist näher betrachtet eher eine Nullnummer. Denn sie kann
nicht bedeuten, dass sie nur noch für jedes zweite Jahr abgegeben
werden muss. Das würde Manipulationen und Verschiebereien Tür und Tor
öffnen. Vielmehr kann es nur darum gehen, die Erklärungen für zwei
Jahre auf einmal abzugeben. Das ist für viele gar kein Vorteil, weil
sie erwarten, dass sie Geld vom Finanzamt zurückbekommen. Nur wer
eine Nachzahlung befürchtet, wird diese Möglichkeit wählen. Bei der
vorausgefüllten Steuererklärung wird mancher Steuerzahler sein blaues
Wunder erleben, was das Finanzamt schon alles weiß. Nicht nur die
Höhe des Jahresgehalts samt abgeführter Steuern und Sozialbeiträge,
sondern auch Renteneinnahmen, egal ob gesetzlich und privat.
Allerdings nicht die Zinsen fürs Sparbuch und sonstige Anlagen. Denn
die müssen von den Banken nicht gemeldet werden, zumal durch die
Abgeltungssteuer die Steuerpflicht eh erledigt ist. Mehr wäre dem
Steuerzahler mit kleinen Dingen geholfen. Etwa mit Formularen in
einem Deutsch, das auch Normalsterbliche verstehen und nicht nur
Juristen mit zweitem Staatsexamen. Oder wenn die Nummerierung der
Kästchen immer gleich bliebe. Dass schon einfache Änderungen
verblüffende Wirkungen haben können, zeigt die „Anlage Kind“: Eine
ganze Seite fällt weg, nur weil nicht mehr unterschieden wird, ob
Kinderbetreuungskosten berufliche oder private Ursachen haben.
Kritiker können leicht bemängeln, dass auch „Nur-Hausfrauen“ wie die
oft zitierte Zahnarztgattin den Vorteil erhalten. Aber der
Steuerausfall ist bescheiden. Einfach, niedrig und gerecht müsse das
Steuersystem sein, versprach die FDP vor gut einem Jahr im Wahlkampf.
Das klingt gut, ist aber näher betrachtet eine Leerformel. Ob es
gerecht ist, das ist eine höchst subjektive Frage. Geringere
Belastung ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, mussten gerade
die Liberalen schmerzhaft erfahren. Das sollte angesichts der
Rekordverschuldung aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Und auch „einfach“ ist schwieriger, als man denkt. Trotzdem sollten
die Politiker mehr Mut haben, keine Gerechtigkeit in jedem Einzelfall
anzustreben. Pauschalen können die Verwaltung entlasten, auch wenn
Betroffene mit besonders hohen Ausgaben im Nachteil sind. Hätten die
Finanzbeamten im Gegenzug mehr Zeit, Tricksereien und
Steuerhinterziehung aufzuspüren, wäre viel erreicht.
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Lothar Tolks
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