Der Fortschritt sei eine Schnecke, befand einst
Günter Grass. Gemessen an der deutsch-föderalen Bildungsbürokratie
sind die schleimigen Weichtiere geradezu Rennpferde. Schnecken
bewegen sich langsam, aber kontinuierlich, und sie machen wenig Wind.
Bildungspolitiker hingegen sind Spezialisten darin, bei minimaler
Bewegung möglichst viel Wallung zu erzeugen.
So gesehen müsste man sich über die heutige Absichtserklärung,
einheitliche Standards für das Abitur einzuführen, schon fast freuen.
Es ist immerhin ein Schritt, allerdings ein zaghafter. Denn ob und
wie die Standards letztlich umgesetzt werden, diese Entscheidung
liegt bei den gleichen Landesfürsten und ihrer Minsterialbürokratie,
die sich aufs Bremsen ungleich besser versteht als aufs Gasgeben.
Auch wer für Bildungspluralismus plädiert, müsste wissen, dass
sich das allenfalls auf den Weg beziehen kann, den man bis zum
Abschluss bestreitet. Spätestens, wenn es bei der Prüfung ernst wird,
geht es um die allgemeine Hochschulreife. Und die kann in Bayern
nicht anders beschaffen sein als in Schleswig-Holstein.
Ob das nur über ein Einheits-Zentralabitur geht, darüber kann man
sich streiten. Sinn hat der jetzt gefasste Beschluss aber nur, wenn
er dafür sorgt, dass im Wesentlichen der gleiche Wissensstand
abgefragt und vor allem dann auch gleichermaßen bewertet wird. Beides
würde voraussetzen, dass die derzeit unterschiedlichen Lehrpläne und
Lernziele angeglichen werden. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Wer
soll den Standard setzen? Berlin? München? Wo sollen die Schwerpunkte
liegen? Faktenpauken oder Methodenkompetenz? Das sind inhaltliche
Fragen, die völlig offenbleiben.
Alle Lehrplan-Reformen der letzten Jahrzehnte endeten in der Regel
damit, dass noch mehr Stoff in den Trichter gestopft wurde. Von alten
Zöpfen konnte man sich nicht trennen, neue Aufgaben mussten dazu
gepackt werden. Das Resultat ist, jedenfalls auf Gymnasialebene, eine
Schule, die ihre Schüler dazu erzieht, sich möglichst kurzfristig
möglichst viel „Wissen“ einzuverleiben, um es nach absolvierter
Prüfung schnellstmöglich wieder auszuspeien. Das zu korrigieren, wäre
die Aufgabe für die kommenden fünf Jahre, die sich die
Kultusministerkonferenz als Einführungsfrist bewilligt hat. Wer daran
glaubt, muss schon ein unbelehrbarer Optimist sein.
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Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
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