WAZ: Das PID-Gesetz ist inkonsequent – Kommentar von Ulrich Reitz

Nun dürfen Paare, die Eltern sein möchten,
feststellen lassen, ob ihre in einer Petrischale verschmolzenen
Zellen Erbkrankheiten enthalten. Falls ja, werden diese Zellen nicht
in den Mutterleib eingesetzt. Gut für die Eltern, denen spätere
Abtreibungen so erspart bleiben. Gut für gesunde Kinder, die sonst
nicht gezeugt worden wären. Und dennoch inkonsequent. Weshalb?
Erstens: Weil diese „Einheit“, die man weder respektlos „Zellhaufen“
nennen möchte, aber eben auch „Leben“ kaum nennen kann, einen
größeren Schutz genießt als Embryos im Mutterleib. Die können aus
anderen als medizinischen Gründen „weggemacht“ werden. Zweitens: Weil
der Gesetzgeber, welcher die PID nicht allgemein zulässt, auch die
Spirale verbieten müsste. Denn diese verhindert nicht die
Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, nur deren Einnistung in den
Uterus. Drittens: Weil, wer behindertes Leben auf keinen Fall
benachteiligen will, auch die vorgeburtliche Diagnostik verbieten
müsste. Wird eine Behinderung festgestellt, bleibt eine Abtreibung
zwar nicht erlaubt, aber straffrei. Während der Bundestags-Debatte
wurde man den Verdacht nicht los, dass die PID-Gegner bei der
Abtreibung die Uhren zurückstellen wollen. Den Kirchen darf man das
nicht vorwerfen, sie argumentieren seit Jahren so. Aber es ist auch
richtig, dass sie sich mit jedem Stück medizinischer Entwicklung
weiter aus der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernen.

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