Wir wurden das Opfer einer maßlosen Überschätzung.
Die Wutbürger von Stuttgart, deren Protest sich gegen eine
„rücksichtslose Betonpolitik“ richtete, sind nicht die neue
bürgerliche Graswurzel-Mehrheit zwischen Hamburg und München. Selbst
in der Südwestecke sind sie eine, wenn auch starke, Minderheit
geblieben. Lautstärke hat Argumente nicht ersetzt. Das ist das erste
Signal, das die Volksabstimmung über Stuttgart 21 gegeben hat.
Das andere, wichtigere: Die Menschen in dieser Republik wollen
keine Zukunftsprojekte blockieren. Sie können unterscheiden zwischen
einem strikten Rauchverbot in der Öffentlichkeit, wie es ein
Bürgerentscheid in Bayern eindrucksvoll durchgesetzt hat, und den
Weichenstellungen hin zu einer besseren und belastbaren
Infrastruktur. Ein Nein zur Modernisierung unserer Verkehrswege und
Energieanlagen ginge zu Lasten der nächsten Generationen. Die würden
nicht nur, schlimm genug, unsere Schuldenberge vorfinden, sondern
auch noch unseren Schrott.
Dass die Gegner des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs den Kampf an
der Urne verloren haben, bedeutet nicht den Frieden im Ländle, den
sich Ministerpräsident Kretschmann erhoffte. Es bedeutet nicht einmal
Ruhe in seiner grün-roten Koalition. Aber das bleibt ein regionaler
Streit – auszutragen in der Villa Reitzenstein.
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