WAZ: Der vergessene Super-Stau
– Leitartikel von Dietmar Seher

Deutschland redet gerne über seine großen
Verkehrsprojekte. Über Stuttgart 21. Über die
Fehmarnbeltbrücke. Über die Bahntunnel durch den Thüringer Wald. Vor
den Türen des Bundesverkehrsministers in Berlin balgen sich die
zuständigen Länderminister um die Milliarden für ihre Vorzeigestücke.
Erstaunlich: Meist bekommen sie sie. Wer redet vom Ruhrgebiet? Davon,
dass der drittgrößte Ballungsraum Europas jeden Tag den größten
Verkehrskollaps der Republik verkraften muss? Dass seine einmal als
zentrale Adern geplanten Verkehrswege wie die Autobahn A 44
(die zwischen Velbert und Bochum nie zustande kam) und auch der
Rhein-Ruhr-Express von Dortmund nach Köln allenfalls Stückwerk
bleiben werden? Stehen NRW-Minister in Berlin Schlange? Wohl nicht,
denn sie bringen immer weniger für den Ausbau von Straße und Schiene
heim: In diesem Jahr 180 Millionen Euro, 2012 werden es noch 173
Millionen sein. Ein Trend, der seit Jahrzehnten anhält und der
bestätigt: Im Süden und Osten wird vergraben, was „tief im Westen“
verdient wird. Jetzt also: Aus für die A 52. Das nächste
Debakel. Der lange Streit um Lärmschutz, um die vielen Trassen- und
Tunneloptionen, um die Baufinanzierungen – von all diesen Konflikten
bleibt ein Schulterzucken. War wohl nichts. Wieder mal. Berlin zahlt
keine besseren Lösungen und auch nicht für die Alternative Schiene.
Düsseldorf schert sich nur wenig drum. Uns bleiben die Schlaglöcher
einer stümperhaften Verkehrsplanung und eineinhalb Stunden Fahrzeit
für 40 Kilometer Revier – ob in Auto oder Bahn. So verspielen wir die
Zukunft einer Region, in der täglich zwei Millionen Pendler auf
öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind und sich 140 000 Pkw
auf dem Ruhrschnellweg vorwärts quälen. Denn ein gutes Verkehrsnetz
ist Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg und für neue Jobs. Gibt
es noch Chancen? Ja. Das Revier braucht einen Aufstand wie in
Stuttgart. Nur, dass der f ü r etwas stehen müsste: Her mit dem
Rhein-Ruhr-Express! Schließt die Autobahn-Lücken! Geld für die
Betuwe-Linie, damit Güter auf die Bahn kommen und Straßen entlastet
werden! Denn jeder Kilometer Stau beschleunigt die Klimakatastrophe.
Fazit: Deutschlands größter Ballungsraum ist auch der größte
Verlierer der Verkehrsplanung. Das Debakel A 52 belegt es. Die
Menschen im Ruhrgebiet zahlen für diese Pleitepolitik mit Lebenszeit.
Nur eines hilft: Krach schlagen.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de