WAZ: Die Beichte – Kommentar von Christopher Onkelbach

Die prinzipienstarke Ursula von der Leyen findet es
grundsätzlich falsch, dass Alkohol in Deutschland gesellschaftlich
akzeptiert ist. Alkohol trinkende Eltern seien ein schlechtes
Vorbild. Sie müsste sich im Bundestag nur mal umsehen, um über
Vorbilder ins Nachdenken zu geraten. Lässt sich etwa ein
CSU-Parteitag denken ohne Maßkrüge? Die Grundsätze der Ministerin
sind so gesehen etwas aus der Zeit gefallen. Für den CDU-Politiker
Andreas Schockenhoff bedeutet das Eingeständnis, alkoholkrank zu
sein, wohl das Ende seiner Karriere. Das wäre nur konsequent. Wie
soll jemand Verantwortung übernehmen für das Gemeinwesen, wenn er es
für sich selbst nicht vermag? Dennoch hat eine Forderung nach
Rücktritt etwas von Heuchelei. Alkohol und Politik sind Geschwister,
wer das aber anspricht, gilt als Nestbeschmutzer. Daher wird so lange
geschwiegen, bis der Zustand als normal gilt. Dabei könnte das mutige
Geständnis der Auslöser sein für eine ehrliche Debatte über die Panik
der Politiker, über Versagensangst, Überforderung, Druck und Sucht.
Das wäre hilfreicher, als Prinzipien zu reiten. Doch ist zu
befürchten, dass Schockenhoffs Beichte vergebens sein wird.

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