Die neue Studie über die Befindlichkeit der in
Deutschland lebenden Türken zeigt die ganze Zerrissenheit dieser
Bevölkerungsgruppe. Viele fühlen sich ausgegrenzt, neigen aber auch
selbst zu Abschottung und Intoleranz, etwa gegenüber anderen
Religionen (was ein besonders beunruhigendes Ergebnis der Umfrage
darstellt). Sie leiden unter Vorurteilen – pflegen aber gleichzeitig
ihre eigenen Ressentiments. Bedenklich stimmt vor allem ein Befund:
Gerade jene Deutsch-Türken, die in Deutschland geboren sind und die
von der hiesigen Gesellschaft geprägt wurden, scheinen sich immer
öfter von genau jener Gesellschaft abzuwenden. Der Anteil jener, die
angeben, sie seien am liebsten nur mit Türken zusammen, ist binnen
zwei Jahren von 40 auf 62 Prozent gestiegen. Die viel beschworene
Integration der Zuwanderer, so hat man den Eindruck, macht eher Rück-
als Fortschritte. Aber – das zeigt die Studie ebenfalls – es gibt
auch positive Signale. Denn eine große Mehrheit der Befragten hält es
beispielsweise für unerlässlich, dass Kinder aus türkischen Familien
von klein auf die deutsche Sprache lernen. Die Zahl jener, die
fordern, dass alle türkischstämmigen Kinder eine Kindertagesstätte
besuchen sollen, eben damit sie bei Schulbeginn gut Deutsch sprechen,
ist seit 2010 sogar leicht angestiegen – auf inzwischen 95 Prozent.
Klar ist: Die allermeisten jener jungen Deutsch-Türken werden, auch
wenn sie die Heimat ihrer Eltern und Großeltern aus der Distanz
verklären, in Deutschland bleiben, selbst dann, wenn sie mit dem
Gedanken einer Umsiedlung spielen. Denn bei jedem Besuch in der
Türkei spüren sie, dass sie auch dort nicht wirklich zu Hause sind.
Ihre Integration in unsere Gesellschaft bleibt deshalb eine wichtige
Aufgabe – und zwar für Bürger mit und ohne Migrationshintergrund.
Doch nach der aufgeregten Sarrazin-Debatte ist das Thema Integration
wieder in den Hintergrund gerückt. Noch schlimmer: So wortreich diese
Debatte auch geführt wurde – zum Positiven verändert hat sie offenbar
wenig.
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