WAZ: Ein vergiftetes Angebot – Kommentar von Christian Kerl

Wer den Schaden hat in der Linkspartei, braucht für
den Spott der Sozialdemokraten nicht zu sorgen: Das Angebot an
Dietmar Bartsch als dem großen Verlierer des Linksparteitags, jetzt
doch zu den Sozialdemokraten zu wechseln, ist nicht als freundliche
Einladung gedacht – mit einiger Boshaftigkeit will die SPD vielmehr
demonstrieren, wie verzweifelt aus ihrer Sicht die Lage der linken
Konkurrenz inzwischen ist. Deren Selbstdemontage schreitet voran: Die
Strategie von SPD-Chef Gabriel, die Linkspartei durch Abgrenzung
klein zu halten, hat sich bislang ausgezahlt. Die SPD kann ihr Glück
kaum fassen und wird nun alles daran setzen, die Linke 2013 aus dem
Bundestag herauszuhalten – dann würde es auch für Rot-Grün ziemlich
sicher reichen. Gelänge vorher der symbolträchtige Wechsel von
Realpolitikern der Linken, wäre das wohl Gabriels größter Coup. Doch
der Parteichef weiß selbst: So wird es kaum kommen. Zum einem lockt
die SPD nicht zum ersten Mal. Zum anderen war die Niederlage von
Bartsch auf dem Parteitag nicht so vernichtend, dass er jetzt
aufgeben müsste. Im Gegenteil, der Realo-Linke kann in Ruhe abwarten,
wie sich die neue Führung selbst zerlegt. Sollte die SPD bis dahin im
Bund wieder mitregieren, könnte es mit der Linkspartei als
Oppositionskraft sogar wieder aufwärts gehen – vorausgesetzt, sie
sitzt dann noch im Bundestag. Wenn nicht, schrumpft die Linke zur
ostdeutschen Regionalpartei, dann wird sich das Verhältnis zur SPD
ohnehin ganz neu ordnen.

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