WAZ: Eine neueÄra
– Kommentar von Christopher Onkelbach

Julian Assange ist für das Magazin „Rolling Stone“
der Rockstar des Jahres. Er sei der „Terminator-Engel für jedes
verborgene Geheimnis der Macht“. Ein Glamour-Boy, der die Mächtigen
das Fürchten lehrt, der die Kaiser dieser Welt ohne Kleider zeigt?
Das Stück Größenwahn, das dieser Mann zeigt, kann uns nicht
gleichgültig lassen. Assange kommt wohl bald frei, insofern ist er
Nutznießer rechtsstaatlicher Regeln, die er für sich selbst nicht
gelten lässt. Er entzieht sich der schwedischen Justiz, da er hinter
den Anschuldigungen den langen Arm der USA vermutet. Eine persönliche
Verschwörungstheorie wird zur Rechtfertigung seiner Flucht nach
Großbritannien. Doch es geht gar nicht um Assange. Denn mit Wikileaks
bricht eine neue Ära an für Regierungen und Wirtschaftslenker: Es ist
der Verlust der Informationskontrolle. Die komplette Transparenz –
man kann sie je nach Perspektive totalitär oder anarchisch nennen –
lässt sich durchaus als Bedrohung verstehen. Es stellt sich die
Frage: Ist das gut für eine Demokratie? Ist es Meinungsfreiheit oder
Informationsterror? Die Gefahr besteht, dass Politiker, die eine
Demokratie davor schützen wollen, sie damit zugleich beschädigen.

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