Kriminelle Konzerne sollen bei Wirtschaftsdelikten
wie Korruption, Betrug oder Umweltverschmutzung wirksamer zur
Rechenschaft gezogen werden können. NRW-Justizminister Thomas
Kutschaty (SPD) macht sich für die Einführung eines spezifischen
Unternehmensstrafrechts stark, das Sanktionen wie umsatzbezogene
Geldstrafen, den Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen und
Steuervorteilen oder Tätigkeitsverbote bis hin zur Betriebsschließung
nach sich ziehen könnte.
„Zwar kann man ein in kriminelle Machenschaften verwickeltes
Unternehmen – salopp formuliert – nicht ins Gefängnis stecken,
vorstellbar ist es allerdings, eine solche Firma in ihrer Freiheit,
nämlich ihrer wirtschaftlichen Freiheit zu beschränken“, sagte
Kutschaty den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).
Anders als in anderen EU-Staaten kennt das deutsche Strafrecht
bislang keine Unternehmensbestrafung, sondern nur die Sanktionierung
von Einzelpersonen wie etwa Managern oder Aufsichtsräten. In
international verzweigten Konzernstrukturen sei es heute häufig nicht
möglich, organisatorische Missstände nachhaltig zu sühnen und die
schuldigen Personen zu identifizieren, so Kutschaty. Auch werde es
als ungerecht empfunden, wenn Angestellte als „Bauernopfer“ vor
Gericht den Kopf hinhalten müssten für eine kriminelle
Unternehmenspolitik.
Der Justizminister will seine Überlegungen erstmals am heutigen
Donnerstagabend unter dem Titel „Das Unternehmen als Straftäter?“ bei
einer Veranstaltung der Juristischen Gesellschaft Ruhr im Landgericht
Bochum ausführen. Da das Strafrecht bundesweit geändert werden
müsste, will Kutschaty seinen Vorstoß zudem in die
Justizminister-Konferenz der Länder tragen. Angestrebt werde eine
überparteilich getragene Rechtsreform, sagte sein Sprecher.
Professor Gereon Wolters, Studiendekan der Ruhr-Universität
Bochum, begrüßte den Vorstoß. Gerade im Wirtschaftsleben, in dem der
gute Ruf geldwert sei, dürfte „das wichtigste Anliegen des
Strafrechts, künftige Straftaten zu verhindern, nachdrücklich
gestärkt werden“, sagte Wolters. Der Essener Rechtsanwalt Jörg
Lacher, Vorstandsmitglied der Juristischen Gesellschaft Ruhr und
langjähriger Unternehmensjurist, warf die Frage auf, ob eine solch
grundlegende Systemänderung nicht zu deutlich höheren Strafen führen
müsse. „Denn es macht einen Unterschied, ob sich das Gericht bei der
Strafbemessung am Vermögen des Mitarbeiters oder an dem Vermögen des
Unternehmens oder gar Konzerns orientiert“, so Lacher.
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