Es ist ein heikles Terrain, auf das sich die Richter
vorgewagt haben. Sie haben es in diesem Fall nicht mit der nötigen
Umsicht betreten, sondern mit einer sachlichen Argumentation, die die
sonst vor Gericht übliche Beachtung von Tradition, Geschichte,
Religion und Kultur weitgehend außer acht ließ. Es ist die Frage, ob
man allein mit fachjuristischem Instrumentarium diese Frage
entscheiden kann. Sicherlich gibt es religiös und kulturell
begründete Rituale, die verhindert werden müssen, wie die grausame
Genitalverstümmelung von Frauen. Die Entfernung der Vorhaut ist damit
nicht vergleichbar. Man kann das Urteil auch als Symptom dafür lesen,
wie sich das Verhältnis von Religion und Recht verändert, wie fremd
religiöse Gebräuche auf eine zunehmend religionsskeptische
Gesellschaft wirken. Selbst der Sinn christlicher Feiertage und Riten
ist vielen unverständlich geworden – wie sehr sind es dann erst die
der anderen? Diese Abkehr kann man beklagen, doch muss dies nichts
Schlechtes sein, im Gegenteil: Unser Gemeinwesen baut auf die
Trennung von Religion und Staat. Doch die wachsende Fremdheit muss
zugleich mit dem gebotenen Respekt gegenüber dem Glauben anderer
einhergehen. Auch das ist Grundlage unseres Staates und als
Religionsfreiheit im Grundgesetz verankert. Verständlich, dass
muslimische und jüdische Religionsvertreter vom Gesetzgeber nun
Rechtssicherheit fordern. Denn bliebe es bei dem Verbot der in der
Bibel verankerten Praxis, würde vielen gläubigen Juden ein Leben in
Deutschland beinahe unmöglich gemacht.
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