Umstrittene Rituale bei der Bundeswehr, wie sie
zuletzt durch den Skandal auf der Gorch Fock bekannt wurden, sollen
dienstrechtlich verboten werden. „Es gibt Dinge, die darf man nicht
mehr in dieser Form fortsetzen, auch wenn vielleicht 95 Prozent der
Rekruten sagen, das mache ihnen nichts aus“, sagte der
Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, den Zeitungen
der WAZ-Mediengruppe (Mittwochausgabe). Der FDP-Politiker, der an
diesem Donnerstag ein Jahr im Amt ist, kritisierte scharf, dass
Soldaten auf der Gorch Fock nach Landgängen die Schlüpfer der von
ihnen eroberten Frauen wie Trophäen auf einer Leine aufgehängt haben.
Königshaus: „Das Menschen- und Frauenbild, das dahinter steht, das
sind nicht die Werte, die man auf einem Schulschiff der Deutschen
Marine künftigen Offizieren vermitteln sollte.“ Auch die umstrittene
so genannte Äquatortaufe hält Königshaus für bedenklich. Zwar könnten
Rituale Gemeinschaftssinn stiften, sagte er. „Aber wenn verschiedene
Lebensmittel zu einer möglichst Ekel erregenden Pampe verrührt
werden, in die man getunkt wird, ist der Unterschied zu der rohen
Leber in der Kaserne von Mittenwald nicht mehr so weit.“ In den
genannten Fällen sieht der Anwalt der Soldaten im Parlament die
Dienstaufsicht am Zug. Königshaus: „Auch für die Marine gilt das
Grundgesetz – und das wird nicht durch Tradition begrenzt, sondern
umgekehrt.“ Der Liberalen-Politiker geht davon aus, dass die auch
durch einen tödlichen Sturz einer Kadettin ins Gerede gekommene Gorch
Fock nicht außer Dienst gestellt wird. „Es gibt allgemein eine starke
Neigung im Parlament, das Schiff weiter zu betreiben.“ Allerdings
seien weitere Verbesserungen in der Ausbildung nötig. So fehlten
noch Rettungswesten mit GPS-Transpondern, damit jemand schnell
geortet werden kann, der über Bord gegangen ist. Königshaus: „Es kann
ja nicht richtig sein, dass überall in Deutschland im Berufsleben
Unfallverhütungsvorschriften akribisch befolgt werden, nur bei der
Deutschen Marine nicht.“ Großen Nachholbedarf sieht der
Wehrbeauftragte auch bei der Hinterbliebenen-Versorgung bei im
Auslandseinsatz gefallenen Soldaten. Hier sei gerade bei nicht
ehelichen Lebensgemeinschaften der Anteil der prekär Versorgten
wahrscheinlich sehr hoch, weil Versorgungsansprüche fehlten.
Königshaus: „Wir müssen daher schnellstens etwas tun. Eine private
Lebensversicherung für Soldaten im Einsatz, bei der die Bundeswehr
die Prämien zahlt, würde beispielsweise eine Versorgung auch bei
nicht verheirateten Paaren gewährleisten.“ Mit Blick auf die
anstehende Bundeswehrreform fordert Königshaus punktuell Mehrausgaben
für die Truppe: „Es gibt Bereiche, da muss personell massiv
aufgestockt und nicht abgebaut werden.“ Dazu zählten der
Sanitätsdienst und die Infanterie. Königshaus: „Die
Kampfmittelbeseitiger sind regelrecht ausgelaugt, weil es zu wenige
gibt und sie zu häufig in die Einsätze müssen.“ Um die Komplikationen
zu bewältigen, die sich durch die frühzeitige Aussetzung der
Wehrpflicht ergeben, ohne dass die Weichen für eine ausreichende Zahl
von Freiwilligen gestellt sind, wirbt Königshaus für längere
Dienstzeiten des bestehenden Personals. „Wenn absehbar ist, dass
Nachwuchskräfte nicht in ausreichender Zahl nachrücken, darf man
ältere Jahrgänge nicht vorzeitig ausmustern. Wer länger bleiben will
und geeignet ist, soll länger bleiben dürfen.“
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