Es war der erste Akt Rot-Rot-Grün im Bundesrat:
Klar versucht die Opposition, die neue Mehrheit für den Wahlkampf zu
nutzen. Und natürlich versuchen SPD, Grüne und Linke, mit eigenen
Initiativen die Koalition dazu zu bringen, Farbe zu bekennen.
Beispiel Mindestlohn: Die rot-grün regierten Länder, Brandenburg und
sogar das CDU-geführte Saarland haben im Bundesrat für die Einführung
eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50
werden Union und FDP den Vorstoß der Länder im Bundestag
abschmettern. Das Thema landet am Ende vermutlich im
Vermittlungsausschuss – zur Wiedervorlage nach der Wahl im September,
wobei dann das ganze parlamentarische Verfahren von vorn beginnt.
Egal wer die Wahl gewinnt, das Problem wird bleiben. Im Jahr 2011
kosteten die 1,21 Millionen Aufstocker den Staat rund 10,7 Milliarden
Euro. Gewiss, es gibt viele Sonderfälle unter den Hartz-IV-Beziehern
– aber es darf einfach nicht sein, dass Hunderttausende Menschen in
einem reichen Land wie Deutschland von ihrer Vollzeit-Beschäftigung
nicht leben können. In vielen Fällen ist Aufstockung nichts anderes
als subventionierte Beschäftigung – und fördert auch noch
Dumping-Löhne. Das wird sich in den Sozialkassen noch bitter rächen:
Wer jetzt von seinem Lohn nicht leben kann, der kann später auch mit
seiner Rente nicht auskommen. Die Frage ist allerdings, welches
Mindestlohn-Modell wirklich tauglich ist. Der einheitliche
8,50-Euro-Lohn scheint auf den ersten Blick ein gutes Modell. Nur:
Die Lebenshaltungskosten in München sind nicht mit denen in einer
Kleinstadt in Brandenburg vergleichbar. Selbst Linke-Politiker aus
Ostdeutschland warnen, ein zu hoher Mindestlohn könnte Jobs kosten.
Andererseits ist auch das Lohnuntergrenze-Modell der Union nur
bedingt tauglich, weil es die existierenden Mini-Löhne in einigen
Branchen zementieren würde. Aber im Moment ist ja einiges in
Bewegung: Das Saarland stimmt im Bundesrat sogar für einen
rot-rot-grünen Vorschlag, auch die FDP mag jetzt über Mindestlöhne
reden – bis vor Kurzem galten die den Liberalen als Teufelszeug.
Welche Konstellation auch immer nach der Wahl regiert: So
festgefahren sind die Positionen gar nicht. Zur Erinnerung: Ein
SPD-Kanzler namens Gerhard Schröder hat noch 2004 einen gesetzlichen
Mindestlohn abgelehnt. Und die CDU hat in der großen Koalition mit
dafür gesorgt, dass in einigen Branchen fairere Löhne möglich wurden.
Da geht doch was.
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