Westdeutsche Zeitung: Beschneidung von Jungen als religiöses Ritual = Von Cornelia Breuer-Iff

Zunächst einmal ist es erfreulich, dass in
unserem Land genau hingeschaut wird, wenn der Verdacht aufkommt, das
Wohl eines Kindes könnte beeinträchtigt sein. So geschehen in Köln,
wo das Landgericht die Beschneidung eines muslimischen Jungen als
Körperverletzung wertete.

Der Verweis darauf, dass es sich bei der Beschneidung um ein
uraltes religiöses Ritual handelt, macht die Sache an sich noch nicht
besser oder gar legitim. Gleichwohl gilt es, die Bräuche des Islam
und des Judentums zu respektieren. Und so hat das Urteil aus der
Domstadt zu Recht eine breite gesellschaftliche Diskussion ausgelöst.

Nun gilt es, Argumente zu prüfen, differenziert und mit Augenmaß.
Wo ist die Freiheit zur Ausübung von Religion uneingeschränkt zu
gewährleisten? Und wann ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit
eines Menschen unbedingt zu schützen? In diesem Prozess des Abwägens
weist die Wortgewalt der europäischen Rabbiner-Konferenz keinen Weg.
Sie betonte unter anderem, wenn sich das Kölner Urteil als
Rechtsauffassung durchsetze, wäre das „ein fundamentales Problem für
die Weiterexistenz der jüdischen Gemeinde in Deutschland“. So werden
Positionen vorschnell zementiert.

Medizinisch nicht notwendig, schmerzhaft und irreparabel:
Nachdenkenswert sind Stimmen wie die des Düsseldorfer
Psychoanalytikers Matthias Franz, der warnt, die Operation im
Säuglings- oder Kindesalter könne ein traumatisches Erlebnis
darstellen und zu andauerndem körperlichen, sexuellen oder
psychischen Leiden führen. Das werde aus Respekt vor Religion oder
Kultur und aus Angst vor Konflikten aber vorwiegend in Fachkreisen
thematisiert. So kann es nicht bleiben.

In Deutschland sind zwischen 15 und 20 Prozent der Männer
beschnitten. Dass der bei uns meist religiös motivierte operative
Eingriff nicht in die Illegalität gedrängt werden soll, scheint
politischer Konsens. Nur so ist die Aussage von Regierungssprecher
Steffen Seibert zu verstehen, verantwortungsvoll durchgeführte
Beschneidungen müssten straffrei möglich sein.

Bei dem anstehenden Ausgleich von Rechtsinteressen darf vor allem
eines nicht zu kurz kommen: das Wohl des Kindes.

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