Die Schuldenkrise bahnt sich ihren Weg in die
reale Wirtschaft. Die Banken hat sie bereits erreicht. Wie 2008 nach
der Lehman-Pleite misstrauen sich die Institute untereinander und
leihen sich kein Geld mehr. Stattdessen wird die Europäische
Zentralbank um frisches Geld angezapft – und zwar mit neuen Tricks.
So werden bei Investoren verstärkt vergebene Unternehmenskredite in
Staatsanleihen umgetauscht. Lediglich Schuldverschreibungen von
Staaten akzeptiert die EZB als Pfand. Dass Unternehmen dabei in die
Hand von internationalen Investmenthäusern geraten können, ist den
Banken egal. Die angespannte Lage der Institute, die europaweit
bereits den Abbau von zehntausenden von Stellen angekündigt haben,
dürfte auch bald die Unternehmen und Verbraucher direkt erreichen.
Ihnen droht wieder eine Kreditklemme. Investitionen und Konsum werden
dadurch ausgebremst. Auch Staaten wie Belgien, Österreich und
Frankreich geraten wegen der Schuldenkrise unter Druck. Spanien,
wogegen bereits länger spekuliert wird, musste gestern tief in die
Tasche greifen, um neue Schulden zu finanzieren. Der Zinssatz für die
Spanier kletterte auf knapp sieben Prozent. Das ist die kritische
Marke, bei der eine tragfähige Refinanzierung an den Kapitalmärkten
nicht mehr darstellbar ist. Italien pendelt bereits um diese Linie.
Irland und Portugal sind bei dieser Zinshöhe unter den Rettungsschirm
geschlüpft. Trotzdem soll es Italien, drittgrößte Volkswirtschaft der
Währungszone, nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel ohne
Euro-Hilfe schaffen. Das muss es sogar, denn der aktuelle
Feuerwehrfonds wäre nicht groß genug, um Italien zu retten. Statt den
Spekulanten den Krieg zu erklären, entschlossen gemeinsam zu handeln
und wenigstens die Realwirtschaft aus der Schusslinie zu nehmen,
spielt die Politik auf Zeit. Nationale Regierungen und die
EU-Kommission hecheln wie der Hase dem Igel den Märkten hinterher.
Kanzlerin Merkel will – wie sie erst gestern wieder sagte – nichts
überstürzen und mit geänderten EU-Verträgen Europas Fundamente
modernisieren. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy denkt nur an
seine Wiederwahl. Wenn das Haus Europa erst in Flammen steht, nützen
auch neue Fundamente nichts mehr.
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