Westdeutsche Zeitung: Steuerentlastung =
von Wibke Busch

Der frisch gewählte Parteichef Philipp Rösler
wagte sich im Mai in Rostock weit nach vorn: „Ab heute wird die FDP
liefern“, rief er den von schlechten Umfragewerten gebeutelten
Liberalen auf dem Parteitag zu. Nach dem Bohren dicker Bretter ist
ihm nun offenbar der Durchbruch beim Koalitionspartner Union
gelungen. Und das ist eine gute Nachricht für die Steuerzahler.

Mögliche Gründe für die Kehrtwende der Kanzlerin gibt es viele. Da
ist die anhaltend instabile Lage des Koalitionspartners und damit der
ganzen schwarz-gelben Koalition, die Merkel Sorge bereiten muss. Und
da ist das Grummeln in Teilen der eigenen Basis, dass die Schwarzen
angesichts des Atomkurses zu grün werden.

Vielleicht sind es auch die überraschend stark sprudelnden
Steuereinnahmen, die zu einem Umdenken führten. Oder die Angst, dass
angesichts der unsicheren Lage in Athen genau diese Quelle schnell
wieder versiegt – und die Koalitionäre dann auf dem Weg zu
finanziellen Entlastungen vor der nächsten Bundestagswahl ganz der
Mut verlässt.

Es gibt durchaus gute Gründe, Steuersenkungen für falsch zu
halten. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte nimmt bedrohliche
Ausmaße an. Sie schränkt die Handlungsfähigkeit der Politik ein und
belastet kommende Generationen.

Andererseits waren die Voraussetzungen für eine Entlastung lange
nicht so gut wie derzeit. Und es ist an der Zeit, dass die – weltweit
überdurchschnittlich – gute konjunkturelle Erholung in Deutschland
bei den Bürgern ankommt. Denn sie trugen durch Verzicht und
Mehrbelastungen dazu bei, dass sich das Land zukunftsfest machte und
damit die Voraussetzung für die Erholung geschaffen wurde.

Zugleich würde die in Rede stehende Korrektur bei der kalten
Progression das Steuersystem ein gutes Stück gerechter machen. Wie
ungerecht dieses sein kann, weiß jeder, der sich eine Gehaltserhöhung
hart erarbeitet hat – und am Ende unterm Strich fast nichts davon
hat.

Unsicher allerdings ist, ob die Länderchefs, die Einnahmeausfälle
fürchten, den notwendigen Segen zu Entlastungen geben. Tun sie es
nicht, werden sie den Schwarzen Peter haben. Merkel, der man
nachsagt, Dinge gerne vom Ende her zu denken, dürfte das kalkuliert
haben.

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