Es klingt wie ein Paukenschlag: US-Präsident
Barack Obama erhöht den Druck auf Syriens Machthaber Baschar al-Assad
und droht mit einer Militärintervention. Bei genauerem Hinhören
allerdings ist der Paukenschlag eher ein Trommelwirbel. Von einem
Militärschlag im Syrien-Konflikt ist die westliche
Staatengemeinschaft noch immer weit entfernt.
Denn die „rote Linie“, die Obama zog, bezieht sich allein auf den
Fall, dass Massenvernichtungswaffen in die „falschen Hände“ – sprich,
in die von Terrororganisationen wie Hisbollah, oder Al Kaida –
gelangen. Davor hatte Israel, enger Verbündeter Washingtons, schon im
Juli gewarnt und mit einem eigenen militärischen Eingreifen gedroht.
Dass Obama nun ähnliche Töne anschlägt, hat mit dem Wahlkampf in
den USA zu tun: Der Präsident muss außenpolitische Stärke
demonstrieren – sonst überlässt er dieses Feld den Republikanern. Es
hat aber auch mit einer ernsten Sorge zu tun: Chemische oder
biologische Waffen in den Hände von Terroristen, die Israel das
Existenzrecht absprechen, kann die Staatengemeinschaft nicht dulden.
Ein begrenzter militärischer Schlag wäre die Antwort.
Dem Bürgerkrieg steht der Westen dagegen hilflos gegenüber. Zum
einen ist er gefangen in einer Struktur der Vereinten Nationen, die
immer noch vom Geist des Kalten Krieges geprägt ist. Und die Syriens
Verbündeten Russland und China die Möglichkeit gibt, auch jede noch
so kleine Drohung gen Damaskus im Sicherheitsrat zu verhindern. Zum
anderen besteht die Gefahr, dass durch ein militärisches Eingreifen
ein Flächenbrand im Nahen Osten ausgelöst wird.
Der Schlüssel zu einer diplomatischen Lösung allerdings liegt in
Moskau. Der Kreml stützte bisher unverdrossen das Regime in Damaskus,
um seinen Einfluss in der Region zu sichern. Vielleicht ist das
Angebot des syrischen Vizepremier, über einen Rückzug Assads zu
verhandeln, der erste wirkliche Schritt zu einem Frieden – erzwungen
von einer neuen russischen Linie. Vielleicht aber ist es nur eine
neue Finte aus Damaskus.
Gefangen in diesem realpolitischen Dilemma sieht der Westen dem
täglichen Morden zu. Und muss sich zugleich eine ethische Frage
stellen lassen: Wie lange kann er das noch?
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