Westdeutsche Zeitung: Vor allem Hannelore Krafts Persönlichkeit entschied die Wahl – Berlin wird nach zwei Stars aus NRW rufen Ein Kommentar von Martin Vogler

Klassische Koalitionen mit einem großen und
einem kleineren Partner schienen Auslaufmodelle zu sein. Doch nichts
da. Die bisherige rot-grüne Minderheitsregierung hat in NRW einen
bravourösen Wahlsieg hingelegt. Die zwischenzeitlich zitternden
Grünen haben sich wacker geschlagen. Vor allem die SPD mit der in den
vergangenen zwei Jahren sehr souverän gewordenen Hannelore Kraft hat
es geschafft, die Wähler zu überzeugen. Entscheidend dafür war die
Persönlichkeit Krafts. Und auch wenn sie ihre Zukunft in NRW sieht –
das gestrige Ergebnis macht Kraft als SPD-Spitzenkandidatin für die
nächste Bundestagswahl sehr attraktiv.

Die inhaltlichen Leistungen von Rot-Grün allein hätten wohl nicht
so große Zustimmung ermöglicht. Deren Finanzpolitik etwa lässt sich
kaum als solide bezeichnen. Doch dank ihrer klaren Mehrheit kann die
künftige Koalition jetzt für eine gesamte Legislaturperiode planen.
Was hoffentlich im Sinne einer erfreulichen Zukunft des Landes und
seiner Menschen gelingt.

Die FDP hingegen wird zwar nicht, wie sie gehofft hatte, zum
Regieren gebraucht, hat aber dennoch mit ihrem Spitzenmann Christian
Lindner Unglaubliches erreicht. Die Liberalen schienen in NRW längst
tot, doch sie vervierfachten innerhalb weniger Wochen gegenüber den
Umfragen ihr Ergebnis und schnitten sogar besser ab als vor zwei
Jahren. Das bedeutet aber auch: Der jetzt endgültig zum politischen
Star gekrönte Lindner wird mittelfristig bei der FDP in der
Bundespolitik gebraucht werden.

Wie erwartet fiel das Ergebnis für die Piraten aus. Sie müssen
jetzt ihre Landtags-Reife beweisen. Ebenfalls keine Überraschung ist
das Ausscheiden der Linken. Deren Existenz in westlichen Parlamenten
geht zu Ende.

Verblüffend ist, dass die CDU derart katastrophal abschnitt. Es
ist konsequent und persönlich beachtlich, dass Norbert Röttgen
bereits kurz nach 18 Uhr die Konsequenzen zog. Sein fehlendes
Bekenntnis zu NRW und viele unglückliche Äußerungen vermittelten
stets das Gefühl, dass ihm der Siegeswille fehlte. Der Preis für ihn
ist, dass er sich seine bundespolitischen Ambitionen abschminken
kann. Die Koalition in Berlin hingegen ist wegen des CDU-Desasters in
NRW nicht gefährdet, weil die Schuld primär beim Spitzenkandidaten
liegt.

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