Die arabische Revolte bringt vielen
Nordafrikanern die Freiheit. Das ist eine gute Nachricht. Doch diese
Revolution hat auch eine dunkle Seite: Immer mehr illegale
Immigranten drängen aus den Maghreb-Staaten nach Europa. Täglich
kommen neue Nachrichten vom Flüchtlingselend im Mittelmeer. Viele
Immigranten ertrinken auf der Flucht nach Griechenland, Italien,
Malta oder Spanien. Eine humanitäre Katastrophe zeichnet sich ab. Wie
können wir diesen Menschen helfen? Langfristig ist es sinnvoll, die
wirtschaftliche Entwicklung der nordafrikanischen Länder zu fördern.
Die Menschen dort brauchen Arbeit und Zukunftsperspektiven. Die EU
hat sich in vielen Ländern engagiert und die Wirtschaftsentwicklung
gefördert. Doch kann dies schon jetzt den verzweifelten Flüchtlingen
helfen? Die EU setzt primär auf Abschottung und Abschiebung. Die
EU-Grenzagentur Frontex fängt die Flüchtlinge ab und hat sie bisher
sogar nach Libyen geschickt, wo sie Folter und Vergewaltigung
erwarten. Inzwischen verstärkt Frontex den Grenzschutz mit
Patrouillenbooten und Hubschraubern. Etwa 30 Fachleute sind auf
Verhöre von Einwanderern spezialisiert. Das libysch-europäische
Flüchtlingsabkommen erweist sich als teuflisch: Gaddafi will
angeblich Tausende von Afrikanern in Booten nach Europa schicken, um
sein politisches Überleben zu sichern. Zwar meint der Frontex-Chef,
Europa werde Menschen in Not nicht abwehren, das würde gegen
internationales Recht verstoßen. Doch wenn Libyen zerfällt, könnten
die Dämme brechen. Die UNO erwartet bis zu 400 000 Flüchtlinge –
darunter auch viele Schwarzafrikaner, die in Libyen festsitzen. Wenn
die Immigranten für Wirtschaftsflüchtlinge und nicht für politisch
Verfolgte gehalten werden, folgt der Ruf nach stärkeren EU-Grenzen.
Dann wird den Flüchtlingen der Wiederaufbau der Maghreb-Länder
empfohlen. Es sei nicht Aufgabe des Asylrechts, Wirtschaftsmigranten
in die EU zu lassen. Doch diese Meinung stößt auf Widerspruch. Viele
EU-Politiker fordern eine EU-Flüchtlingsquote und eine gerechte
Verteilung der Lasten. »Der Norden darf den Süden Europas nicht im
Stich lassen«, meint Grünen-Politiker Cem Özdemir;
Menschenrechtsorganisationen zitieren die Genfer
Flüchtlingskonvention, die Deutsche Bischofskonferenz mahnt zu
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit für die illegalen Migranten, und
auch der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer hat
Europa zu mehr Solidarität mit den Flüchtlingen aufgerufen. Die
Einwanderungswelle fordert die EU politisch und finanziell heraus.
Sie kann die Visa-Regeln erleichtern und den Immigranten eine
befristete Arbeitsgenehmigung geben. Und sie kann den Flüchtlingen
Asyl gewähren und sie verhältnisgleich verteilen und versorgen.
Europa braucht eine aktive, kreative und humane Politik gegen das
Flüchtlingselend. Abschottung und Abschreckung sind die falschen
Methoden.
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Andreas Kolesch
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