Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Mursi

Wäre die Sache nicht so bitter, Präsident
Mohammed Mursi könnte einem fast leid tun. Da steht der zutiefst
seinem einen und absoluten Gott ergebene Islamist an der Spitze
Ägyptens, ist dem Traum vom Gottesstaat nah wie nie – und das Volk
rebelliert. Straßenschlachten statt Erleuchtung und Allahs
Wohlgefallen! Wie das? Mursi versteht die Welt nicht mehr – weil er
kein weltlicher Politiker ist. Anders ausgedrückt: Jede Religion
kennt nur eine Wahrheit, nämlich die eigene. Und: Je absoluter sie
ihre Botschaft setzt, um so rigoroser wird sie abweichende
Auffassungen ignorieren. Toleranz und Meinungsvielfalt, faire
Debatten und Mehrheitsbeschlüsse sind diesem Denken fremd. Nicht
überall, aber sehr wohl in der arabischen Welt sind Religionsführer
als Staatsführer denkbar ungeeignet. Wie sonst hätte Mursi glauben
können, mit der Zerschlagung der Gewaltenteilung ungestraft davon zu
kommen? Aufgeklärte Geister haben Ägypten nicht nur von Husni Mubarak
befreit. Sie wollen sich auch nicht dem nächsten Autokraten
unterwerfen. Völlig logisch, nur nicht für Mursi.

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