Sicherheit ist ein Grundbedürfnis und zugleich
Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Sie zu bewahren, ist
eine der vornehmsten Aufgaben des Staates. Wenn Bundesinnenminister
Hans-Peter Friedrich (CSU) angesichts der schrecklichen Anschläge in
Norwegen danach trachtet, schon im Vorfeld Bedrohungen für die
Sicherheit der Menschen in unserem Land abzuwenden, erfüllt er damit
seine Aufgabe. Wenn er allerdings offensichtlich weder Machbarkeit
noch Rechtmäßigkeit seines Vorschlages geprüft hat, steht das einem
Bundesminister nicht gut zu Gesicht. Mit der Anonymität im Internet
soll Schluss sein, meint der Minister. Aber wie? Sollen sich deutsche
Sicherheitsdienste bei chinesischen Experten schlau machen, wie ein
Unrechtssystem den Zugang zum Internet beschränkt? Computer,
Smartphones, Spielekonsolen, ja selbst der eine oder andere
Kühlschrank kommuniziert über das Internet. Die Server stehen auf der
ganzen Welt, die meisten außerhalb der Reichweite der deutschen
Rechtsprechung. Von verbindlichen internationalen Gesetzen sind wir
weit entfernt. Will der Innenminister in Deutschland eine Mauer
errichten, nur diesmal nicht mittendrin, sondern rundherum,
undurchlässig für unkontrollierte Datenströme? Leider gibt es sie,
die Typen mit Persönlichkeitsstörungen, abartigen Gedanken und
politisch extremen Ansichten, die Menschenverächter und verbalen
Heckenschützen. Das Internet hat sie nicht gemacht, aber es gibt
ihnen eine neue Bühne. Anonymität bietet ihnen Schutz. Doch im
Internet wird auch Freiheit gelebt, in Syrien, Libyen zum Beispiel.
Inzwischen geht es laut eines Sprechers des Ministeriums nicht mehr
um ein neues Gesetz, sondern um einen »Appell an die
Zivilgesellschaft«. Wenn Friedrichs Vorstoß als Anstoß für eine
umfassende Diskussion zu verstehen ist und nicht als Initiative für
einen in Paragrafen gemeißelten Schnellschuss, gebührt diesem
uneingeschränktes Lob. Wir alle, die wir uns im Internet tummeln,
müssen Regeln für ein gutes Miteinander entwickeln. Zusätzlich zu den
Bemühungen des Staates. Wer in einem Rechtsstaat anonym Hetzschriften
verbreitet, handelt erbärmlich feige. Ihm die Maske vom Gesicht zu
reißen, ist ganz im Sinne der Netzkultur. Schon heute ist das World
Wide Web kein rechtsfreier Raum. Die Musikindustrie beweist täglich,
dass kaum jemand im Internet anonym ist, nur ist es nicht einfach,
die für die analoge Welt gemachten Gesetze auf den digitalen Raum zu
übertragen. Das müssen Richter und Polizisten noch lernen. Statt
Gesetze mit heißer Nadel zu stricken, sollte die Regierung dafür Geld
und Know-how bereitstellen. Der schleppende Start des digitalen
Personalausweises und Trojaner auf Polizeicomputern lassen an der
viel beschworenen Internet-Kompetenz der Behörden zweifeln.
Sicherheit, Freiheit und Toleranz müssen auch im Internet
selbstverständlich sein, diese Tugenden zu bewahren und Straftäter zu
verfolgen ist auch im Netz Pflicht – und Vorrecht – des Staates.
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Andreas Kolesch
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