Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Landtagswahl in Bremen:

Fünfter Streich im Superwahljahr 2011: Knapp 500
000 Menschen sind an diesem Sonntag in Bremen und Bremerhaven zur
Landtagswahl aufgerufen. Zwei weitere Urnengänge folgen im Herbst in
Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern, so dass am Ende des Jahres
sieben von 16 Landesparlamenten neu gewählt worden sind.
Rekordverdächtig! Nervenkitzel verspricht diese Wahl der Bremer
Bürgerschaft nicht. Die rot-grüne Regierung unter SPD-Bürgermeister
Jens Böhrnsen wird ihre Arbeit fortsetzen können. Wieder einmal sind
es die Grünen, die auf kräftige Zugewinne hoffen dürfen. Womöglich
werden sie stärker als die CDU. Rot-Grün wäre eine Große Koalition
neuen Typs – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.
Rechnerisch könnte es am Ende sogar für ein grün-schwarzes Bündnis
reichen, doch das wird es nicht geben. Die Grünen-Spitzenkandidatin
und Finanzsenatorin Karoline Linnert hat eine Koalition mit der CDU
bereits ausgeschlossen. Zuviel der politischen Geschichtsschreibung
soll es denn auch wieder nicht sein. Das ist nur konsequent
angesichts der Erfolge, die ihre Partei jüngst in Baden-Württemberg
und in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit den Sozialdemokraten errungen
hat. Die Grünen haben weder die Not noch die Lust, sich auf Kosten
ihres Lieblingskoalitionspartners SPD in ein unkalkulierbares
politisches Abenteuer zu stürzen. So bleiben die Lagergrenzen bis auf
Weiteres dicht. Auch landespolitisch ist Linnerts Festlegung
nachvollziehbar, weil Rot-Grün in den vergangenen vier Jahren in
Bremen ausgesprochen partnerschaftlich regiert hat. Gleichwohl ist
die Bilanz recht dürftig: Bremen hat im Vergleich der Bundesländer
nach wie vor die mit Abstand höchste Pro-Kopf-Verschuldung, die
Personalausgaben des Stadtstaats verschlingen Unsummen. Messbare
Erfolge in der Schulpolitik hingegen, wo das Land in den Rankings
stets ganz hinten zu finden ist, sucht man vergebens. Kurz: Bremen
ist und bleibt ein Übernahmekandidat. Die Feststellung mag nicht neu
sein, und doch bleibt sie richtig: Niemandem wäre Schaden zugefügt,
wenn Bremen und Bremerhaven endlich im Bundesland Niedersachsen
aufgingen. Solange solch eine sinnvolle Länderfusion aber bloß ein
schöner Traum bleibt, wird man über die bundespolitischen
Auswirkungen der Bremen-Wahl diskutieren können. Diesmal werden diese
Auswirkungen ganz sicher gering ausfallen. Das liegt vor allem daran,
dass sowohl der Sieg von Rot-Grün als auch die Niederlage von CDU und
FDP politisch längst eingepreist sind. Anders ausgedrückt: Bremen
schreibt die sich bei den jüngsten Wahlen abzeichnende Trends nur
fort. Das muss die Freude der Gewinner ebenso wenig schmälern, wie es
den Frust der Verlierer dämpfen kann. Für Christdemokraten und
Liberale dürfte es – wie zuletzt so oft – ein überaus unangenehmer
Abend werden, auch wenn es nur um das kleine Bremen geht.

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