Chapeau, Herr Rösler! Das hätte man dem sonst eher
unbeholfen agierenden Chef einer Noch-Zwei-Prozent-Partei gar nicht
zugetraut. Im Alleingang den Deutschen einen Bundespräsidenten
beschert zu haben: Es gab in der Geschichte der Republik nicht viele
Politiker, die das von sich sagen konnten. Bei wem schließlich sollte
sich Joachim Gauck für die bevorstehende Erhebung ins höchste
Staatsamt, bei wem sollte sich die relative Mehrheit der Deutschen,
die sich Gauck in dieses Amt gewünscht hat, bedanken, wenn nicht bei
den Liberalen? Dass Rote und Grüne den Kandidaten erneut
unterstützten, wollte an sich noch nicht viel besagen. Wäre die Union
bei ihrer Ablehnung geblieben, und die FDP an ihrer Seite, das
Traumbild eines Präsidenten Gauck hätte sich verflüchtigt. So haben
in dieser Legislaturperiode zum zweiten Mal die Befindlichkeiten
einer aufgeriebenen FDP über die Berufung des Schlossherrn im
Bellevue entschieden. Schon die Präsidentschaft Christian Wulffs war
ja aus Angst und Elend der Koalition geboren. Gefragt war damals,
nach dem Verlust der Regierungsmacht in NRW und der Beerdigung des
Projekts Steuersenkung, kein überparteilicher Kandidat, sondern ein
Signal des schwarz-gelben Zusammenhalts. Und dies vor allem der
siechen FDP zuliebe. Deshalb durfte im Frühsommer 2010 der Kandidat
Gauck noch keine Chance haben. Heute besteht an schwarz-gelben
Signalen kein Bedarf, weil an die Zukunft dieses Bündnisses über 2013
hinaus ohnehin kein Mensch mehr glaubt. Jeder für sich, heißt da die
Parole. Die Liberalen sind von der Union oft genug düpiert worden, um
für koalitionäre Nibelungentreue nicht mehr viel übrig zu haben. Dass
sie am Wochenende mit der Sorge leben mussten, die Union könnte sich
über ihre Köpfe hinweg mit der Opposition einigen, passt ins Bild
dieser Koalition. Das statt dessen für einen Moment das Phantom der
Ampel sichtbar wurde, die FDP Arm in Arm mit Rot und Grün, passt
auch. Den Menschen beizubringen, dass es ein Unterschied ist, ob die
FDP regiert oder nicht, ist Röslers Traum. Er hat dafür hoch
gepokert. Der Mut der Verzweiflung, diesmal hat er sich ausgezahlt.
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