Ramelow sieht Bundesrat als „Korrektiv zur
Berliner Blase“
Länderkammer gewinnt für Ministerpräsidenten spürbar an Bedeutung
– Lob für CDU-Pendant
Osnabrück. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sieht den
Bundesrat als politisches Gremium im Aufwind. In einem Interview mit
der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag) sagte der Linken-Politiker,
„der Bundesrat erlebt derzeit eine regelrechte Renaissance“. Die
Ministerpräsidenten hätten angefangen über Parteigrenzen hinweg
Themen neu anzufassen. „Wir bilden ein Korrektiv zur Berliner Blase,
zum Bundestag und dem reinen dortigen Regierungshandeln“, sagte
Ramelow. Er erlebe die Länderkammer inzwischen als „unglaublich
offenen und kreativen Ort“. Folgen dieser Arbeitsweise hätten sich
unter anderem gezeigt, als sich der Bundesrat beim
Länderfinanzausgleich geschlossen gegen die Pläne der Bundesregierung
gestellt hätte. „Das hat sich in Berlin niemand vorstellen können“,
sagte Ramelow.
Thüringens Regierungschef riet grundsätzlich zu einem anderen
Umgang miteinander in der Politik. Ein positives Beispiel sei Daniel
Günther in Schleswig-Holstein. Der dortige Ministerpräsident lasse
„die Parteien jeweils gelten, wie sie sind, und lebt einen
politischen Stil, dass die zwei anderen Regierungspartner nicht
seiner Meinung sein müssen, und er nicht deren Meinung sein muss“.
Trotzdem repräsentierten sie gemeinsam Schleswig-Holstein, oder
gerade deswegen. „Bei den Sondierungsgesprächen hat Günther mehrfach
gesagt, man müsse sich in seiner Unterschiedlichkeit respektieren.
Das fand ich sehr gut“, lobte Ramelow sein Kieler CDU-Pendant und
wünschte sich einen vergleichbaren Stil auf Bundesebene.
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Ramelow warnt vor Hass im Netz
„Sich nichts gefallen lassen“: Linken-Politiker rät zu
entschiedenem Widerstand und Schutz von Kindern
Osnabrück. Der Linken-Politiker Bodo Ramelow, selbst häufig Opfer
brutaler digitaler Drohungen, hat zu entschiedenem Widerstand gegen
Hassparolen im Internet aufgerufen. In einem Interview mit der „Neuen
Osnabrücker Zeitung“ (Freitag) sagte der Thüringer Ministerpräsident,
sein Rat sei: „Löschen und blocken, löschen und blocken, löschen und
blocken. Sich nichts gefallen lassen und sich nicht einschüchtern
lassen, damit die wirkliche Welt durch diesen digitalen Schmutz so
wenig wie möglich betroffen wird.“
Insbesondere junge Menschen seien gefährdet. „Unsere Kinder
wachsen in der digitalen Welt auf, denen müssen wir helfen“, sagte
Ramelow. Jeder werde früher oder später mit Hass im Netz
konfrontiert. „Es gibt keine Gruppe, die von Hass ausgenommen ist,
und es gibt niemanden in dieser Gesellschaft, der davon verschont
wird. Getroffen sind wir alle, wenn nicht heute, dann morgen.“
Ramelow zieht im Internet regelmäßig massive Hassattacken auf
sich, zuletzt mit Morddrohungen nationalistischer Türken wegen seines
Einsatzes für die Kurden in Syrien. Ebenfalls zur Zielscheibe
kampagnenartiger Angriffe wurde er wegen seiner differenzierten
Haltung zu Israel durch zionistische Extremisten oder durch
Empörungsrituale aus dem Umfeld von AfD und Pegida.
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Ramelow rät zu gesamtdeutscher Sicht auf Probleme
Linken-Politiker: Die AfD hat auch mal Recht – Ost-Beauftragter
soll Erfolge darstellen statt Mängel beschreiben
Osnabrück. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow will keine
speziellen Ost-Hilfen mehr. In einem Interview mit der „Neuen
Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) sagte er, auch ein Ost-Beauftragter
der Bundesregierung solle zuerst daran arbeiten, „dass wahrgenommen
wird, dass auch der Osten etwas zum gesamtdeutschen Leben beitragen
kann“. Dabei handele es sich beispielsweise um „bessere
Kinderbetreuung, eine andere Schulsystematik, eine andere Form von
Gesundheitsbetreuung im ländlichen Raum“. Wichtiger sei aber eine
gesamtdeutsche Debatte. „Was für Bremerhaven selbstverständlich ist,
muss auch bei uns in Altenburg selbstverständlich sein und umgekehrt.
Alle haben mehr davon, wenn wir keine Neid-Debatten führen, sondern
gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen des Landes
anstreben, statt über ostspezifische ,Geschenke– und
Solidarpaktmittel zu reden“, erklärte der Erfurter Regierungschef.
Ramelow sprach sich ferner für einen pragmatischen Umgang mit der
AfD aus: „Mit billiger Ausgrenzung die Opferrolle der Partei zu
bedienen, wäre jedenfalls verkehrt.“ Die AfD bilde ein
Wählerpotenzial ab, „bei dem ich als Demokrat zur Kenntnis nehmen
muss, dass es Menschen gibt, die offenkundig dieser Partei zuneigen“.
Daher seien Worte wie „bekämpfen“ oder „in Schach halten“
unangebracht und ihm zu militärisch. „Natürlich gefällt mir vieles
von dem, was Herr Höcke in unserem Landtag sagt, nicht“, erklärte
Ramelow. Trotzdem habe der umstrittene AfD-Politiker auch mal Recht.
„Wenn er eine Rede zum Thema ,Rentengerechtigkeit– hält, kann ich ihm
teilweise zustimmen“, sagte der Ministerpräsident: „Zum Beispiel,
dass Armutsfestigkeit hergestellt werden muss und die
Ungerechtigkeiten zwischen Ost und West thematisiert werden müssen.“
Der Bruch werde dann klar, wenn Höcke „die Rente nur für Deutsche
fordert“. Wie bei diesem Beispiel komme es darauf an, die AfD
inhaltlich zu stellen. So sei klar, „dass jeder, der in die
Versicherungssysteme einzahlt, auch die gleichen Ansprüche hat. Alle
Menschen sind gleich“, sagte Ramelow.
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