Flüchtlingsschutz nicht kleinmachen/ EKD-Migrationsexperte Präses Rekowski zum heutigen Weltflüchtlingstag

Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni
ruft die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dazu auf, den
Flüchtlingsschutz in Europa nicht weiter zu gefährden. Präses Manfred
Rekowski, Leitender Geistlicher der Evangelischen Kirche im Rheinland
und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der EKD
stellte fest: „In der politischen Debatte gibt es kaum mehr Stimmen,
die Schutz für diejenigen fordern, die dort, wo sie zuhause sind,
nicht bleiben können.“ Er erinnerte daran, die Perspektive der
schutzsuchenden Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren: „Wer mit
Flüchtlingen spricht, weiß: Diese Kinder, Frauen und Männer sind
nicht ohne Grund auf dem Weg. Sie fliehen vor Krieg und Gewalt, weil
ihre Lebensgrundlagen zerstört wurden, als politisch Verfolgte oder
weil sie eine Zukunft suchen, die es in ihrem Land für sie nicht
gibt, an der sie aber Teil haben wollen. Wir brauchen wirksame
Masterpläne für die Bekämpfung von Fluchtursachen, für besseren
Flüchtlingsschutz und für eine moderne Einwanderungspolitik.“

Insbesondere kritisierte Präses Rekowski die europäische
Flüchtlingspolitik. Die EU lagere systematisch Verantwortung aus und
bezahle andere Staaten für die Abwehr oder die Aufnahme von
schutzsuchenden Menschen. „Allen politischen Verantwortlichen muss
klar sein, was es heißt, das Asylrecht anzutasten und den
Flüchtlingsschutz kleinzumachen: Menschen werden an Grenzen
abgewiesen, von Land zu Land weitergeschickt, oder sie kommen in
Seenot um. Eine Politik der ausgelagerten Verantwortung ist nicht
hinnehmbar“, so Rekowski. All dies habe, so Rekowski, verheerende
Auswirkungen – auch für Europa. „Nehmen wir in Kauf, was jenseits
unserer Grenzen in libyschen Lagern geschieht und dass Jahr um Jahr
tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken, bleibt das für uns in
Europa nicht folgenlos. Unsere eigene Würde, ja, unsere Humanität
droht daran zugrunde zu gehen. Denn welchen Stellenwert Rechte und
Freiheiten für uns haben, zeigt sich daran, ob wir sie
Schutzsuchenden zugestehen. Nach christlichem Verständnis sind
Menschenwürde und Menschenrechte unteilbar.“

In diesem Zusammenhang erinnerte Rekowski daran, dass im
weltweiten Vergleich nur wenige Flüchtlinge nach Europa kommen. Die
meisten Menschen, die ihr Land verlassen müssen, suchen Zuflucht in
Nachbarländern. Kenia und Jordanien beherbergen die größten
Flüchtlingslager der Welt; der kleine Staat Libanon hat prozentual
weltweit die meisten syrischen Kriegsflüchtlinge aufgenommen. In
Bezug auf Fluchtursachen hob Rekowski hervor: „Viele Flüchtlinge
fliehen vor Folgen, die unsere Politik, unser Wirtschaften und unser
Lebensstil mitverursacht haben. Ob Waffenexporte, Konfliktrohstoffe,
Klimawandel – hinter solchen Stichworten lassen sich die langen
Verantwortungsketten ausmachen, die uns mit den Flüchtlingen
verbinden.“ Es sei illusorisch zu glauben, der weltweite Austausch
von Waren und Informationen in einer globalisierten Welt könne nur
einseitig funktionieren; im Gegenteil sei die Welt von
Wechselwirkungen geprägt. „Die Tatsache, dass Ende 2017 laut dem
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen 68,5 Mio. Menschen
weltweit auf der Flucht waren , zeigt: Migration – ob erzwungen oder
freiwillig – ist eine politische Steuerungsaufgabe. Das Weltproblem
Flucht wird nicht durch Symbolpolitik oder nationale Alleingänge
gelöst. Benötigt werden solidarische und menschenrechtsorientierte
Lösungen.“

Er stellte klar, dass nicht alle Schutzsuchenden in Deutschland
asylberechtigt seien, forderte jedoch genau deshalb faire und
individuelle Asylverfahren. Ob dies in den geplanten –AnKER-Zentren–
gewährleistet werden kann, sei sehr fraglich. „Es ist fatal, wenn im
europäischen Asylrecht demnächst nicht mehr nach den Fluchtgründen
gefragt wird. Wenn nur noch geprüft wird, ob es einen anderen
sogenannten –Sicheren Drittstaat– gibt, in den man die Menschen
abschieben kann, wird die Genfer Flüchtlingskonvention in Frage
gestellt. Das Unsichere lässt sich nicht per Dekret als sicher
umetikettieren. Das gilt zum Beispiel für Libyen wie auch für
Afghanistan.“

Hannover, 20. Juni 2018

Pressestelle der EKD

Carsten Splitt

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