Der Saal 1 des Landesverfassungsgerichts in
Münster ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Ort der
Landespolitik, ja, zur politischen Arena der gesamten Republik
geworden. Dort wurden zentrale Fragen der Demokratie verhandelt. Im
Kern ging es fast immer um die Frage, wie groß der Spielraum der
jeweils Regierenden ist, wie stark sie an die Buchstaben der
Verfassung gebunden sind. Die Richter haben stets sorgfältig
abgewogen und am Ende häufig der Landesregierung völlig unabhängig
von der politischen Färbung Einhalt geboten oder den Kurs korrigiert.
Gestern wurde ein weiteres Kapitel dieser spannenden Geschichte
begonnen. Wie es ausgeht, ist noch offen, schließlich wird das Urteil
erst in einem Monat verkündet. Doch nach der mündlichen Verhandlung
deutet sich an, dass die Richter den umstrittenen Nachtragsetat der
rot-grünen Minderheitsregierung nicht ungeschoren lassen werden.
Bohrend und hartnäckig waren die Fragen vor allem von
Gerichtspräsident Bertrams, der in der Vergangenheit wiederholt sein
großes Selbstbewusstsein gegenüber der Politik bewiesen hatte. Sein
Nachhaken vor allem bei der Frage, ob angesichts der guten
Konjunkturdaten wirklich eine erneut erhöhte Neuverschuldung mit der
Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts – der einzig zulässigen
Begründung – erklärt werden dürfe, war klarer Fingerzeig. Doch
deutlich wurde auch, dass einige Argumente der Opposition, etwa in
der Frage, ob es gute oder schlechte Rücklagen geben könne, kaum
richterliche Billigung finden. Finanzminister Walter-Borjans machte
seine Sache dieses Mal ordentlich und wirkte vor allem bei der
Begründung, warum der Staat der WestLB mit Garantien helfen muss,
trittsicher. Ob seine Argumente greifen, wird sich im Urteil am 15.
März zeigen. Es darf mit großer Spannung erwartet werden. Die
zentrale Frage wird sein: Wie viel Spielraum lassen die Richter der
Politik, den Etat zu gestalten? Die Antwort ist wichtig für Rot-Grün,
wird der Richterspruch doch womöglich die auch in diesem Jahr
geplante Neuverschuldung bremsen. Das Urteil wird aber wieder in die
gesamte Republik ausstrahlen. Denn fast überall stehen die
Länderparlamente und auch der Bundestag vor der selben Frage.
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