Neue OZ: Kommentar zu Atom / Deutschland

Schluss mit Nabelschau

Zu den Begriffen, die es aus dem deutschen Wortschatz in eine
Fremdsprache geschafft haben, gehört außer Kindergarten der Ausdruck
Angst. Die Briten sprechen von „the German Angst“, beschreiben damit
aber eher despektierlich eine unbegründete Furcht oder ganz allgemein
das Leiden des Deutschen an der Welt. In diesen Tagen einer
Zeitenwende für Japan und die Welt ist die Angst der Deutschen jedoch
mehr denn je berechtigt.

Die politischen Akteure in Berlin wären gut beraten, dieses Gefühl
ernst zu nehmen. Denn die als Reaktion auf die japanische Apokalypse
in hektischem Aktionismus betriebene Nabelschau führt in eine
atompolitische Sackgasse. Zwar ist nichts dagegen einzuwenden, die
Sicherheitsvorkehrungen in deutschen Atomkraftwerken genauer unter
die Lupe zu nehmen. Oder, wie jetzt Umweltminister Norbert Röttgen
ankündigt, die Auflagen zu verschärfen.

Das allein reicht aber nicht. Notwendig ist der europäische Blick:
Nur wenige Kilometer von Baden-Württemberg entfernt betreibt die
Schweiz AKW, plant dort sogar ein Endlager, mitten in einem
Erdbebengebiet. Historiker verweisen auf ein Beben in Basel 1356.
Damals wurde die Stadt fast völlig zerstört, heute liegt sie in der
Nähe von Atomanlagen. Ähnliche Sorgen gelten dem französischen AKW in
Fessenheim bei Freiburg. Und an den Pannenmeiler im tschechischen
Temelin wollen die meisten lieber gar nicht denken.

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