WAZ: Akt der Vernunft
– Kommentar von Dietmar Seher

Die Bahn gibt nach. In Stuttgart kommt es zu einer
Denkpause, bis die neue Landesregierung steht. Ein Akt der Vernunft
des Bahnvorstandes, zu dem er nicht verpflichtet ist. Aber die
verfahrene Situation rund um das größte öffentliche Bauprojekt
Deutschlands ist weniger durch Aufstände und Volksabstimmungen zu
entknoten, als durch sachliche Gespräche. Das ist das eine. Das
andere: Es darf nicht noch einmal vorkommen, dass Großprojekte nach
20 Jahren Planungszeit samt rechtsfester Parlamentsbeschlüsse über
den Haufen geworfen werden, weil sich Stimmungen oder auch politische
Mehrheiten ändern. Wer das hinnimmt, schränkt die Fähigkeit des
Staates ein, für die Zukunft Vorsorge zu tragen. Das schadet heute
den Jobs und morgen der nächsten Generation. Das Drama um
„S 21“ zeigt, dass bei Infrastrukturprojekten zu viel Zeit
zwischen Planung und Bau verloren geht. Bürokratie und auch
Einspruchsmöglichkeiten könnten verringert werden, wenn sich der
Bauherr Staat verpflichtet, schon zum Start präzise und öffentlich
Sinn und Tauglichkeit eines Milliardenprojekts nachzuweisen. Das
erspart späte „Stresstests“.

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