Oberste Priorität für Ausbau der Stromnetze / dena und Consentec drängen auf Beschleunigung des Netzausbaus zur Integration der erneuerbaren Energien

Zwei Tage vor dem Energiegipfel von Bund und
Ländern am kommenden Freitag hat die Deutsche Energie-Agentur GmbH
(dena) zusammen mit dem Consultingunternehmen Consentec an alle
Beteiligten appelliert, dem beschleunigten Ausbau der
Übertragungsnetze oberste Priorität einzuräumen. Dafür liefere die
dena-Netzstudie II eine maßgebende Planungsgrundlage. Demnach müssten
in Deutschland bis 2020, zusätzlich zu den nach der dena-Netzstudie I
ausgewiesenen 850 Kilometern an neuen Trassen, je nach Technologie
Höchstspannungstrassen mit einer Länge von 1.700 bis 3.600 Kilometern
gebaut werden. Hinzu käme die Optimierung des bestehenden
Verbundnetzes.

„Das Netz darf nicht zum Flaschenhals der Energiewende werden“,
sagte der Vorsitzende der dena-Geschäftsführung Stephan Kohler bei
einem Expertentreffen in Berlin. „Der ganze Wind- und Solarstrom
nutzt nichts, wenn wir ihn nicht dorthin transportieren können, wo er
gebraucht wird oder gespeichert werden kann. Und wenn in
verbrauchsstarken Regionen die Atomkraftwerke vom Netz gehen, muss
jederzeit ausreichend Strom auch über weite Strecken angeliefert
werden können. Die Politik hat es jetzt in der Hand, die Weichen für
den Netzausbau zu stellen und die Energiewende durch eine
beschleunigte Integration der Erneuerbaren in das Energiesystem
voranzutreiben.“

Auf dem Expertentreffen wurden die Handlungsoptionen für den
Netzausbau besprochen. Als Ausgangspunkt dienten die dena-Netzstudie
II und die Studie „Voraussetzungen einer optimalen Integration
erneuerbarer Energien in das Stromversorgungssystem“ von Consentec
und r2b energy consulting.

dena-Netzstudie II gilt auch für vorgezogenen Atomausstieg

Die dena betonte, dass die Ergebnisse der im November 2010
veröffentlichten dena-Netzstudie II unverändert gelten. Bei der
Erstellung wurde der im Jahr 2000 beschlossene Atomausstieg
vorausgesetzt. Die Auswirkungen der Verlängerung von AKW-Laufzeiten
war ergänzend geprüft worden. Durch die geplanten Beschlüsse der
Bundesregierung zum Atomausstieg liegt der für 2020 zu erwartende
Kraftwerkspark wieder sehr nahe an der in der Studie zugrunde
gelegten Erzeugungsstruktur. Der ermittelte Netzausbaubedarf gilt
unter Berücksichtigung des europäischen Stromhandels und eines
marktorientierten Einsatzes konventioneller Kraftwerke sowie aller in
den nächsten Jahren verfügbaren Techniken zur Übertragungs- und
Systemoptimierung: Temperaturmonitoring, Hochtemperaturleiterseile,
Hochspannungsgleichstromübertragung, Erdkabel und Speicher. Sollte
der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung bis 2020 weiter
intensiviert werden, müsste der Netzausbau entsprechend noch stärker
beschleunigt werden.

Während die Kapazitäten der erneuerbaren Energien von Jahr zu Jahr
zunehmen, kommt der Ausbau der Netze kaum voran. Von den bereits 2005
in der dena-Netzstudie I ermittelten 850 Kilometern an neuen Trassen,
die bis 2015 errichtet werden sollen, wurden bisher nur 90 Kilometer
fertiggestellt. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren sind
langwierig und aufwändig und müssen dringend beschleunigt werden.
Vielerorts fehlt es an Akzeptanz in der Bevölkerung. Deshalb halten
es die dena und Consentec für wichtig, alle Fragen offen zur
Diskussion zu stellen, gemeinsam die Optionen nach klaren und
nachvollziehbaren Kriterien abzuwägen und so die Lösungen zu finden,
die für alle am besten tragbar sind. Eine zentrale Bundesnetzplanung
solle über die Ländergrenzen hinweg den Trassenausbau festlegen, so
wie es beim Bundesverkehrswegeplan üblich ist. Für Lasten, die die
Kommunen im Interesse des Gemeinwohls tragen, müsse ein finanzieller
Ausgleich geprüft werden.

Studie von Consentec und r2b unterstreicht dringenden Ausbaubedarf

Die im Juni 2010 fertiggestellte Studie von Consentec und r2b war
in der Presse und von einzelnen Interessenverbänden als Beleg dafür
herangezogen worden, dass – anders als in der dena-Netzstudie II
ermittelt – bis 2020 lediglich 250 Kilometer neue Trassen gebaut
werden müssten. Consentec-Geschäftsführer Christoph Maurer machte
deutlich, dass die beiden Studien aufgrund ihrer unterschiedlichen
Zielsetzungen und daraus resultierenden Unterschieden bzgl. Annahmen,
Methoden, Datengrundlage und Detailtiefe kaum zu vergleichen seien.
Hinzu komme, dass die Ergebnisse hinsichtlich des insgesamt
benötigten Netzausbaus zum Teil missverstanden wurden. Consentec und
r2b haben die systemtechnischen und ökonomischen Konsequenzen eines
unterschiedlich hohen bzw. schnellen Ausbaus der erneuerbaren
Energien in der Stromversorgung in Deutschland untersucht. Dabei
wurden für das Betrachtungsjahr 2020 Anteile der erneuerbaren
Energien an der Stromversorgung von 25 bis 50 Prozent betrachtet. Als
ein Teilaspekt der Untersuchung wurden mithilfe von
Näherungsdatensätzen Lastflusssimulationen im Übertragungsnetz für
ausgewählte kritische Situationen durchgeführt. Dabei wurde
akzeptiert, dass die Stromerzeugung aus Wind und Sonne nicht
jederzeit zu 100 Prozent integriert werden kann und dass bei starker
Netzbelastung auch Leitungen in Nachbarländern zur Verfügung stehen.
Ferner unterscheiden sich die Annahmen zu regionaler und
technologischer Verteilung der Einspeisung aus erneuerbaren Energien
und zum angenommenen Systemausbauzustand. Die dena-Netzstudie II
greift hingegen auf detaillierte Netzflussdaten der Netzbetreiber
zurück, analysiert die Einspeise- und Nachfragebilanzen bundesweit
für alle 8.760 Stunden im Jahr, rechnet mit einem deutlich höheren
Anteil an Windstrom von Nord- und Ostsee und setzt voraus, dass der
Strom aus erneuerbaren Energien gemäß geltendem Recht
(Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) immer vollständig im deutschen
Verbundnetz integriert wird.

Maurer: „Die Darstellung in den Medien war falsch und irreführend.
Eine solide Gesamtplanung muss sich auf eine Vielfalt von Expertisen
stützen können, in denen verschiedene Szenarien und Annahmen
analysiert werden. Beide Studien lassen schließlich nur einen Schluss
zu: Zur Integration der erneuerbaren Energien müssen die Netze in
Deutschland bis 2020 erheblich ausgebaut werden. Außerdem sollten wir
nicht vergessen, dass wir erst am Anfang stehen. Nach 2020 geht der
Ausbau der erneuerbaren Energien schließlich weiter. Dieser
Entwicklung muss die Netzplanung gerecht werden.“

Ein gemeinsames Positionspapier von dena und Consentec zum
Netzausbau steht im Internet unter www.dena.de/presse

Pressekontakt:
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), Dr. Philipp Prein,
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