Ultrafeine Feinstaubpartikel: Auch neue Benziner brauchen strenge Grenzwerte

Gemeinsame Pressemitteilung

Messungen zeigen bedrohlich hohe Partikelemissionen bei
Benzinmotoren mit Direkteinspritzung – Deutsche Umwelthilfe und
Verkehrsclub Deutschland fordern Grenzwerte analog zu
EU-Diesel-Abgasstandards – Ultrafeine Partikel besonders
gesundheitsgefährdend

Auch moderne Benzinmotoren mit Direkteinspritzung haben ein
Partikelproblem. Das ist das Ergebnis aktueller Untersuchungen an
zwei repräsentativ ausgewählten Pkw mit Direkteinspritzung. Der
Ausstoß an ultrafeinen Partikeln lag bei einem VW Golf 1.2 TSI und
einem BMW 116i in unterschiedlichen Messzyklen um bis zu mehr als
einer Größenordnung über den gesetzlichen Vorgaben, die für die
Partikelzahl von Diesel-Pkw gelten. Die Messungen wurden vom ADAC im
Auftrag der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) und des Verkehrsclub
Deutschland VCD durchgeführt. Dieses Ergebnis ist für Experten nicht
überraschend und bestätigt die wenigen bisher veröffentlichten
Ergebnisse.

Der hohe Ausstoß ultrafeiner Partikel bei Benzinfahrzeugen ist
eine unmittelbare Folge der Direkteinspritzung. Die Einspritzung in
den Motorraum führt zu großen Mengen besonders kleiner Partikel,
ähnlich wie beim Dieselmotor. „Gerade die ultrafeinen Partikel aus
Verbrennungsmotoren haben massive gesundheitliche Folgewirkungen wie
Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems, weil sie
noch tiefer in die Lunge eindringen und in den Blutkreislauf
gelangen. Es kann nicht sein, dass zukünftig mehr Feinstaub-Partikel
aus Benzinmotoren emittiert werden als aus gefilterten Dieselmotoren.
Wir fordern deshalb einen Grenzwert für die Partikelanzahl auch für
Benzinmotoren, was eine Partikelfilterpflicht für Ottomotoren
bedeutet“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen
Umwelthilfe.

Für Dieselfahrzeuge gilt ab 1. September 2011 ein Grenzwert für
die Partikelzahl von 600 Milliarden (6×1011) Teilchen pro Kilometer.
Die Einhaltung erfordert bei Dieselfahrzeugen einen geschlossenen
Partikelfilter. Dieser ist bereits seit Jahren Standard zur
Einhaltung der Abgasstufe Euro 5 bei Neufahrzeugen. Neben dem
bekannten Grenzwert für die Partikelmasse (5 mg/km), der für Diesel
und Benziner gleichermaßen gilt, wurde für Dieselfahrzeuge eine
zusätzliche Grenze für die Zahl der ausgestoßenen Partikel
festgelegt. Hintergrund ist die besonders hohe Gesundheitsgefährdung,
die von den ultrafeinen Partikeln ausgeht und die über die Begrenzung
der Masse nicht angemessen erfasst werden kann.

Die Direkteinspritzung erlebt bei Benzin-Neufahrzeugen wegen des
in der Regel geringeren Kraftstoffverbrauchs inzwischen einen Boom.
Vor allem Ottomotoren aus dem Volkswagen-Konzern, von BMW und
Mercedes werden in immer größeren Stückzahlen mit Einspritztechnik
ausgestattet. Herkömmliche Benzinfahrzeuge mit Drei-Wege-Katalysator
haben vergleichbar niedrige Partikelwerte wie Dieselfahrzeuge mit
geschlossenem Filter. Die Direkteinspritzung bedeutet praktisch eine
Annäherung an die Dieseltechnologie – mit entsprechenden
Verbrauchseinsparungen, aber eben auch mit den vom Diesel her
bekannten Nachteilen beim Ausstoß von ultrafeinen Partikeln und
anderen Schadstoffen. Es gehe nicht darum, die Direkteinspritzung
grundsätzlich in Frage zu stellen, erklärten VCD und DUH.

Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD: „Wir
begrüßen natürlich effizienzsteigernde Technologien wie die
Direkteinspritzung für Benzinfahrzeuge. Aber es darf nicht sein, dass
wir Einsparungen beim CO2-Ausstoß mit einem dramatischen Anstieg der
Partikelemissionen und einem erhöhten Gesundheitsrisiko erkaufen“.
Deshalb unterstütze der VCD die gegenwärtige Strategie von
Bundesregie¬rung und EU-Kommission, für Diesel und Benziner
identische Grenzwerte bei der zulässigen Partikelzahl
festzuschreiben. „Wir hoffen, dass die Autoindustrie diesmal mitzieht
und nicht – wie bei ihrer jahrelangen Verweigerung des
Diesel-Partikelfilters – in einer Blockadehaltung verharrt“, so
Lottsiepen.

Die von DUH und VCD beauftragten Messungen des ADAC an heute
gängigen Golf- und BMW-Benzinmodellen hätten neben den erwarteten
auch teilweise überra¬schende und beängstigende Ergebnisse gezeigt,
erklärte der internationale Verkehrsberater und ehemaliger
Abteilungsleiter im Umweltbundesamt Dr. Axel Friedrich. Im kalten
Zustand verfehlten die gemessenen Partikelzahlen den Euro
5-Dieselgrenzwert um einen Faktor 3,5 (VW Golf 1.2 TSI)
beziehungsweise fast 7 (BMW 116i). Im heißen Zustand betrage der
Faktor beim BMW 116i sogar fast 14. Schließlich stiegen bei beiden
Testmodellen die emittierten Partikelzahlen bei der simulierten
ADAC-Autobahnfahrt massiv an (Faktor von knapp 6 gegenüber dem
Dieselgrenzwert beim VW Golf 1.2 TSI und mehr als 11 beim BMW 116i).
Im ADAC-Autobahnzyklus, der eine durchschnittliche Fahrweise auf der
Autobahn abbildet, scheiterte der BMW 116i zudem nicht nur bei der
Partikelanzahl an den für Dieselfahrzeuge geltenden Abgasstandards,
sondern auch bei der Partikelmasse (Vorgabe für Euro 5-Pkw: 5 mg/km;
BMW 116i: 7,7 mg/km). Friedrich: „Beim Diesel ist der Partikelfilter
längst Standard, er muss es auch beim Benzin-Direkteinspritzer
werden. Sonst können wir diese Technologie nicht dauerhaft
empfehlen.“

In der EU Kommission wird aktuell die Festlegung eines Grenzwertes
für die Partikelanzahl bei Benzin-Fahrzeugen für die ab 2014 geltende
Eurostufe 6 diskutiert. „Die Technik zur Minderung ist auch beim
Benziner vorhanden und kostengünstiger als für Dieselmotoren“, sagte
DUH-Bundesgeschäftsführer Resch. Die Verbände fordern die
Automobilindustrie daher auf, die Gesundheits- und Umweltprobleme der
Partikelemissionen auch bei Benzinmotoren ernst zu nehmen. Nach
derzeitigem Stand der Technik sei eine wirksame Reduzierung nur mit
Partikelfiltern möglich, erklärte Resch.

Eine grafische Darstellung und Erläuterung der Messergebnisse
können unter folgendem Link abgerufen werden.
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2647

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0171
3649170, resch@duh.de

Dr. Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte, Mobil: 0152 294
83857, axel.friedrich.berlin@gmail.com

Gerd Lottsiepen, Verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclub
Deutschland e.V., Rudi-Dutschke-Str. 9, Tel.: 030 280351-0,
gerd.lottsiepen@vcd.org

Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung Deutsche
Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030
2400867-72, Mobil: 0151 162 258 62, Fax: 030 2400867-19, E-Mail:
saar@duh.de