Kommentar Flensburger Tageblatt: Retten, was
noch zu retten ist – Christian von Boetticher legt auch den
CDU-Fraktionsvorsitz nieder von Peter Höver
Nein – überraschend kommt die Ankündigung nicht. Christian von
Boetticher hat gestern auch den Vorsitz der CDU-Landtagsfraktion
niedergelegt. Seine Begründung für den Rückzug mag menschlich
verständlich sein. Doch erneut blendet von Boetticher die politische
Dimension seines Falles aus. Als wenn der Rücktritt vom
Fraktionsvorsitz nicht zwangsläufig gewesen wäre! Dass seine Affäre
mit einer Minderjährigen, mehr noch sein Umgang damit, die Nord-Union
in eine schwere Krise gestürzt hat, mindestens dies sollte von
Boetticher nicht entgangen sein. Neun Monate vor der Landtagswahl
können weder die Fraktion noch die Landespartei ein Interesse daran
haben, dass diese Krise verlängert wird. Genau dies hätte der Union
geblüht, hätte sich von Boetticher an den Chefsessel der
Landtagsfraktion geklammert. Es wäre zudem naiv zu glauben, eine
Fraktion würde in einer solch bedeutsamen Personalfrage völlig
losgelöst von der Landespartei und deren Führung handeln und
entscheiden. Wäre also der gefallene Hoffnungsträger mit dem „Segen“
von CDU-Landtagsabgeordneten und Parteivorstand Fraktionschef
geblieben – dies wäre zwangsläufig als Billigung des Verhaltens von
Boettichers verstanden worden. Undenkbar – eine solche Entscheidung!
Nicht für die Handlungsmöglichkeiten von Boettichers im Parlament.
Sie wäre auch ein dauerhafter Klotz am Bein des wahrscheinlich
künftigen Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten Jost de Jager
gewesen. Ein halber Befreiungsschlag hätte die derzeit ohnehin
desolaten Chancen der Union bei der Landtagswahl noch weiter
geschmälert. Nur mit einem zügigen und vollständigen personellen
Neuanfang kann die CDU vielleicht noch retten, was zu retten ist. De
Jager, der vermutlich neue starke Mann in der Partei, steht vor
einer Herkulesaufgabe. Die Nord-CDU ist schon unter Parteichef Peter
Harry Carstensen zu einem Hort politischer Windstille verkommen.
Gestaltungsanspruch hat auch sein Nachfolger von Boetticher in seiner
kurzen Amtszeit nie demonstriert. Der künftige Chef wird die
Diskussionskultur des Landesverbandes neu beflügeln müssen. Vor
allem muss er aber deutlich machen, warum diese Partei nach der Wahl
2012 eigentlich weiterregieren will.
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